Clouds Entwicklung

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Advent Children setzt die Entwicklung von Cloud Strife als Charakter fort, die (laut den Machern von Advent Children) in Final Fantasy VII nicht abgeschlossen wurde. In Advent Children erleben wir einen Cloud, der seine ganze Stärke verloren hat. Er ist unfähig, mit der Vergangenheit abzuschließen und genau das macht ihn schwach. Er will Vergebung für seine – wie er sagt „Sünden“. In „Final Fantasy VII: Advent Children“ muss er aus seinen Fehlern in der Vergangenheit lernen. Nur wenn er die Vergangenheit akzeptiert, kann er seine Zukunft leben.

Interpretation von Cloud — Ein Versuch

Rückblick auf Final Fantasy VII

Gehen wir noch einmal kurz Clouds Entwicklung in Final Fantasy VII durch. Cloud ist ein Außenseiter in der heimischen Dorfjugend, der sich selbst und allen anderen beweisen will, wozu er fähig ist. Er träumt davon, eines Tages ein so berühmter SOLDAT-Kämpfer zu sein, wie die Legende Sephiroth. Darum tritt er in die Armee ein. Schnell muss er feststellen, dass seine Fähigkeiten nicht seinen Ansprüchen an sich selbst genügen. Am Ende schafft er es zwar, auf einen Einsatz mit Sephiroth geschickt zu werden, allerdings nur als unbedeutener, regulärer Soldat und nicht als strahlendes Mitglied der Elite-Truppe SOLDAT. Seine einzige Verbindung zur Elite, zu seinen Wünschen und Zielen, ist seine Freundschaft mit Zack. Zack ist ein junger aufstrebender SOLDAT-Kämpfer, der es trotz seines jugendlichen Alters geschafft hat, zusammen mit Sephiroth zu dienen.

Als Cloud mit Sephiroth und Zack schließlich in seine Heimat geschickt wird, gerät die Rückkehr zu einem Albtraum. Dies markiert den Beginn von „Clouds Krise“. Nach den Ereignissen in Nibelheim wird er zusammen mit Zack für Mako-Experimente missbraucht. Dies hinterlässt tiefe Spuren an Cloud. Das Mako setzt ihm körperlich wie geistig so sehr zu, dass er seine eigene Identität verliert. Am Ende ist dieser Cloud eine zu tiefst verunsicherte Person mit einer selbst geschaffenen, illusionären Vergangenheit, irgendwo zwischen eigenen Wunschvorstellungen und den übernommenen Geschichten Zacks und Tifas (deren Gedanken  und Erinnerungen er mithilfe der Jenova-Zellen „abrufen“ konnte).

Dann beginnt das Spiel. Man bemerkt schon früh, dass mit Cloud etwas nicht stimmt. Je weiter die Handlung fortschreitet, desto mehr fällt Clouds selbst geschaffene Welt in sich zusammen. Am Ende weiß er nicht mehr zwischen Erfundenem und Realität zu unterscheiden. Diesen Umstand weiß Sephiroth geschickt zu nutzen, indem er Cloud weitere Enthüllungen über eine angebliche Vergangenheit schildert. Das diese von Sephiroth entworfene Vergangenheit im Endeffekt genauso wenig mit der Wahrheit zu tun hat, wie Clouds eigene Vorstellungen, kann dieser nicht erkennen. Er wird zur willenlosen Marionette von Sephiroth und gerät mehr und mehr in dessen Bann, bis zu jener schicksalshaften Stunde, wenn Cloud die Schwarze Substanz überreicht. Am Höhepunkt der totalen Kontrolle durch Sephiroth folgt der totale Zusammenbruch Clouds und sein Aufenthalt im Lebensstrom.

Im Lebensstrom versucht Cloud, seine wahre Vergangenheit zusammenzusetzen. Alleine kann er es aber nicht schaffen, zu tief begraben ist die Wahrheit in seiner Erinnerung. Letztendlich ist es Tifa (Lockheart — die Wahrheit ist in ihrem Herz verschlossen), die die verstreuten Puzzleteile wieder zusammensetzt und Cloud seine Identität zurückgibt. Geheilt und gestärkt kehrt Cloud zurück. Wer ist dieser Mann nun?

Die Vervollkommnung von Clouds Charakter

Der Sieg über Sephiroth und Clouds Isolation

In Advent Children wird Clouds Entwicklung als Charakter also ihren Abschluss finden. Im Endkampf gegen Sephiroth in Final Fantasy VII erreichte Cloud den Höhepunkt seiner Kraft, als er Sephiroth vernichtete. Der letzte abschließende Kampf — Mann gegen Mann — ist indes keine Einbildung, in dem Sinne, dass Cloud Sephiroth aus seinem Kopf verbannt, sondern real. Tatsächlich findet der Kampf aber nicht physisch, sondern auf spiritueller Ebene statt, wie es in Maiden Who Travels the Planet heißt, in einer „Welt aus Bewusstseinsenergie“. Aus „psychologischer“ Sicht, könnte man es vielleicht dennoch, als endgültigen Abschluss von Clouds Kampf gegen Sephiroths Kontrolle ansehen, als seine Befreiung (mehr dazu hier).

Nun sollte man meinen, dass nach seiner Befreiung alles in Ordnung ist. Doch kaum befreit, plagen Cloud die nächsten Probleme. Von Sephiroth ist er frei, doch Schuldgefühle gegenüber Aerith und Zack plagen ihn nun. Die Eindrücke seines verpfuschten Lebens stürzen auf ihn ein, jetzt, als er in Ruhe darüber nachdenken kann und nehmen ihm seine Willenskraft. Seine Schuldgefühle offenbaren sich in der Gestalt des Wolfes, dem man drei mal im Film begegnet und zwar jeweils an Orten, die für Cloud eine besondere Bedeutung haben. Diese Orte sind die Anhöhe vor Midgar – auf der sehr wahrscheinlich Zack ermordet wurde – Aerith‘ Kirche und die Vergessene Stadt. Alle drei Orte repräsentieren einen Teil von Clouds gefühlter „Schuld“. Seine Schuldgefühle entfernen Cloud von den Menschen, die er liebt (und die ihn lieben) und treibt ihn in die Isolation. Er ist viel auf seinem Motorrad „Fenrir“ unterwegs, welches nach einer mythologischen Wolfsgestalt benannt ist. Das Wolfssymbol — der „Cloudy Wolf“ — findet sich auch auf seiner Kleidung wieder, und symbolisiert Clouds momentane Verfassung, kurz Cloud ist ein „einsamer Wolf“ geworden.

Clouds neue Schwächlichkeit

Mit Clouds Isolation geht auch eine neue Schwächlichkeit einher. Im ersten Kampf gegen die Silberhaarigen macht er alles andere als eine gute Figur. Das Angebot Rufus‘ schlägt er wenig später aus – doch weniger aus moralischen Gründen, sondern weil er nicht in einen weiteren Kampf hineingezogen werden möchte. Der Kampf mit seinen inneren Dämonen reicht ihm völlig aus, vor der Wirklichkeit verschließt er sich lieber. Nachdem Tifa zusammengeschlagen und Denzel und Marlene entführt wurden, bleibt ihm jedoch keine Wahl mehr. Er muss kämpfen.

In seinem nächsten Kampf gegen die Silberhaarigen scheint Cloud erneut zu unterliegen. Einmal mehr wurde er von Gedanken an Aerith abgelenkt und dadurch geschwächt. Glücklicherweise erscheint Vincent und rettet ihn. Das nun folgende Gespräch kann man wohl als entscheidenen Wendepunkt auffassen. Vincent wird hier Cloud gegenübergestellt – als Charakter, in dem Clouds Züge noch extremer ausgebildet sind. Dass Cloud sich ein wenig von seiner Familie entfernt hat, wirkt vergleichsweise harmlos, wenn man Vincents Geschichte betrachtet: Er hat jahrzehntelang in einem Sarg gehaust, um sich für seine „Sünden“ zu bestrafen. Vielleicht erhofft Cloud sich einen Rat, wie man mit tatsächlicher oder vermeintlicher Schuld umgehen sollte. Doch es ist vergebens. Vincent Valentine, der in Final Fantasy VII wohl wie keine andere Figur für „Schuld und Sühne“ steht, muss bekennen: „Ich habe es nie versucht [Vergebung für meine Sünden zu erfahren]“.

Wendepunkt und Schlüsselszene

Hier wird Cloud klar, dass er nicht so werden darf, wie sein alter Kamerad Vincent. Er muss sich seiner Vergangenheit stellen und sie überwinden. Was von nun an folgt sind vor allem Kampfsequenzen, die keinen wirklichen Einfluss auf Clouds weitere Entwicklung haben. Es wird nur deutlich, dass er mehr und mehr an Kraft gewinnt und zu seiner alten Entschlossenheit und Stärke zurückfindet.

Auf eine weitere, äußerst symbolhafte, Geste soll aber noch eingegangen werden. In der Schlussszene beim Kampf gegen Bahamut, als Cloud trotz Unterstützung seiner Freunde zu scheitern droht (die blauen Flammen, die Bahamut speit, scheinen ihn zu irritieren) erscheint ihm plötzlich Aerith‘ Arm, der ihn stützt. Was Herr Nojima als „Homage an eine frühere Produktion bezeichnet“ ist eine Schlüsselszene des Films. Ob man jetzt annimmt, dass Aerith (vielmehr ihr spirituelles Bewusstsein) hier tatsächlich aus dem Lebensstrom zu Cloud kommt (in der FFVII-Welt wäre dies ja möglich) oder es seine Einbildung ist, spielt keine Rolle. Wichtig ist festzuhalten, dass an dieser Stelle der „Schalter“ in Clouds Kopf umgelegt wird. Er erkennt, dass ihn keine Schuld trifft, weder an dem Tod Zacks, noch an Aerith‘ Tod und dass er im Kampf gegen die Feinde des Planeten und für seine Freund und Familie, das Andenken an die beiden bewahrt. Vergessen sind alle Schuld und Selbstzweifel, Cloud macht kurzen Prozess mit Bahamut. Er ist jetzt wieder der strahlende Sieger, der „geheilte und gestärke Cloud“, der seine alte Kraft endgültig wiedererlangt hat.

Schlussbemerkungen

Was nun folgt sind viele weitere Gefechte und der obligatorische Endkampf gegen Sephiroth. Natürlich übersteht Cloud all dies, in dem Bewusstsein, dass seine Freunde immer zu ihm halten werden. Die Schlussszene in der Kirche, die späte „spirituelle Reinigung“ verkommt da fast schon zum Beiwerk. Das Ergreifen von Aerith‘ Arm und die kurzdarauffolgende Heilung von Geostigma (ebenfalls durch Aerith) haben die Befreiung von seinen Sünden bereits vorweggenommen. So dient die „Taufszene“, ebenso wie die Erscheinung der „Geister“ Zacks und Aerith‘, vor allem zur Vergewisserung, dass „Cloud nicht mehr alleine“ ist. Die allerletzte Einstellung von Clouds Gesicht, man sollte sie nach dem Musikstück dieser Szene — „Cloud Smiles“ — nennen, zeigt: Cloud hat seinen Frieden gefunden und die Vervollkommnung seines Charakters ist erreicht.