I am Setsuna (Ikenie to Yuki no Setsuna)

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(08.05.2016) Seien wir ehrlich … Die Zeit der großen Blockbuster im Stile von Chrono Trigger und Final Fantasy VII ist vorbei. Auch wenn diese Spiele zu ihrer Zeit bahnbrechend waren, so können sie bei der aktuellen Gamergeneration selten punkten. Das goldene Zeitalter der JRPGs, wie es gern betitelt wird, ist vorbei und wird in dieser Form nie wiederkehren. Die Entwicklung des Genres stagniert, seit Jahren werden Franchises mit Titeln aufgepumpt die sich vom Gameplay und der Erzählweise marginal von ihren Vorgängern unterscheiden. Die Videospielumsätze in Japan sind so niedrig wie nie, während die Kosten, um ein neues Spiel zu produzieren immer höher werden.

Square Enix schickt sich nun an mit einem neuen Franchise, welches von einem Seitenzweig der Firma produziert wurde, dieses Zeitalter wieder aufleben zu lassen.
Der Debüttitel des Studios Tokyo RPG Factory, erschien am 18. Februar 2016 in Japan unter dem Namen „Ikenie to Yuki no Setsuna“, was übersetzt in etwas soviel bedeutet wie „Setsuna of Sacrifice and Snow“. In Europa soll das Spiel unter dem Titel „I am Setsuna“ im Sommer 2016 erscheinen. Da „I am Setsuna“ noch nicht im Westen erschienen ist, soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass alle Eigennamen in dieser Review direkt aus dem Japanischen übersetzt und nicht offiziell sind.

Das Spiel bedient sich reichlich bei einem der ganz großen Titel seiner Zeit und versucht die aktuellen Spieler ein wenig in die gute alte Zeit zu entführen…

Die Hintergrundgeschichte

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Die Geschichte spielt in einer unbenannten Welt, deren Zivilisationen sich einer ständigen Bedrohung durch Ungeheuer und Monstrositäten gegenübergestellt sehen. Um die Situation unter Kontrolle zu bekommen muss alle 10 Jahre ein Opfer in Form eines Menschen gemacht werden. Dieses wird alle 10 Jahre von den Bewohnern des Dorfes „Moru“, auch als das Dorf des Anbeginns bekannt, ausgewählt und muss eine Pilgerreise zum „Ende der Erde“ antreten, an dessen Ende die besagte Opferung steht. Zum Zeitpunkt der Geschichte zeigen sich die Monster ungewöhnlich zahlreich und aggressiv, obwohl das letzte Opfer noch nicht einmal 10 Jahre her ist. Aus diesem Grund wurde das Mädchen Setsuna als nächstes Opfer auserkoren. Der andere, stille Hauptcharakter Endo hingegen ist ein Söldner der den Auftrag bekommen hat, Setsuna zu töten bevor sie die Pilgerreise antreten kann.
Allerdings zwingen die Umstände ihn dazu, den Auftrag fallen zu lassen und sie stattdessen auf ihrer Pilgerreise zu begleiten.

Das gesamte Storygeflecht erinnert frappierend an Final Fantasy X, wird aber leider nicht so detailliert erzählt. Zwar besitzt jede Figur ihre eigene kleine Hintergrundgeschichte, welche im Verlauf der Story auch näher beleuchtet wird, allerdings finden selten Interaktionen unter den Figuren selbst statt. Sequenzen sind rar gesät und existieren nur zu dem Zweck, um die Story weiter in eine Richtung voran zu treiben. Dieses Spiel wiedersetzt sich konsequent dem aktuellen Trend in Sachen RPGs, mit jeder Figur auf einer eigenen Ebene interagieren zu können, um entweder etwas über die Welt oder die Charaktere zu erfahren.

Eines der Hauptthemen in diesem Spiel ist „Traurigkeit“ und das fühlt man auch. Die Umgebung, die Musik, die Charaktere, in keinster Weise fühlt man auch nur den leisesten Hauch von Freude oder Hoffnung. An sich ist die Darstellung dieses Themas sehr gelungen, jedoch fühlt es sich gerade später einfach zu erzwungen an, als ob man den Spieler auf Teufel komm raus zum heulen bringen will. Viele der traurigsten Momente werden über Rückblenden erzählt und wirken so überladen, dass es einfach nicht überzeugend wirkt. Das macht die Geschichte an sich nicht schlecht, aber es trübt den Gesamteindurck doch sehr, was die Geschichte nur knapp über den Durchschnitt hebt.

Die Welt an sich ist sehr monoton und steril gehalten. Die dominaten Farben sind Weiß, Schwarz, Blau und Grau, was sich in der größtenteils verschneiten Landschaft wiederspiegelt. Die gewählten Farben fügen sich wunderbar in die wirklich sehr düstere und traurige Geschichte ein, sorgen allerdings auch dafür das man sich schnell etwas Abwechslung wünscht.

Das Gameplay

Bei keinem Punkt des Spieles wird die Verbindung zum großen Vorbild „Chrono Trigger“ deutlicher sichtbar als beim Gameplay.
Genau wie beim Klassiker bewegt ihr euch durch Dungeons, Dörfer und Burgen, redet mit Leuten, stockt euer Inventar auf und bekämpft Monster.

Das Kampfsystem wurde nahezu komplett aus Chrono Trigger übernommen und um das „Setsuna“ System erweitert. Die Monster sind auf der Karte deutlich sichtbar und sobald ihr euch in ihre Nähe begebt startet der Kampf ohne den Wechsel in einen autarken Kampfbildschirm. In diesem Spiel findet das ATB System Anwendung, welches von Square in den 90er Jahren entwickelt wurde.
Ein weiteres System aus Chrono Trigger, das verwendet wird sind die Doppel- und Tripletechs. Dieses System erlaubt es 2 bzw. 3 Charakteren ihre Abilitys zu kombinieren um eine einzige, mächtige Attacke auszuführen.

Das neu hinzugefügte „Setsuna“ System fügt dem alteingesessenen ATB einen neuen Kniff hinzu.
Bei diesem System füllt sich bei jeder Aktion (oder durch einfaches Warten, sobald die ATB Leiste des Charakters voll ist) eine weitere Leiste. Diese kann auf bis zu 3 Aufladungen gefüllt werden und erlaubt, es mit dem korrekten Timing, sämtliche Aktionen mit einem Effekt zu erweitern.
So treffen z.B. Angriffe zusätzliche Ziele in einem gewissen Umkreis, Heilzauber werden effektiver oder bestimmte Fähigkeiten erhalten zusätzliche Attribute wie Gift oder Lähmung. Durch die Anwendung eines solchen Effekts leert sich die Setsuna Leiste.

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Das Abilitysystem selbst ist eine Mischung aus Final Fantasy XII und Final Fantasy VII.
Von euch besiegte Monster hinterlassen, wie in Final Fantasy XII, kein Geld sondern Items und Handelsgüter, welche ihr in den Städten verkaufen könnt. Ähnlich wie in Final Fantasy XII, seid ihr dann in der Lage bestimmte Fähigkeiten und Items zum Kauf freizuschalten, sofern ihr zuvor bestimmte Beutestücke an den Händler verkauft habt. Dabei verfügt jedes Monster über mehrere Dropslots, die festlegen, welche Items ihr erhalten könnt. Die meisten Monster verfügen über 1 normales Item (Dropchance 50%), 1 seltenes Item (Dropchance ca.10%) und bis zu 8 Konditionsdrops, welche sich danach richten auf welche Art und Weise ihr das Monster erlegt (Overkill / Just-Kill etc.)
Zum Anlegen der Abilitys müsst ihr eure Charaktere mit bestimmten Schmuckstücken ausstatten, welche euch eine begrenzte Menge an Slots zur Verfügung stellen, in welchen ihr die Abilitys einsetzt um sie auszurüsten. Auch kann nicht jede Ability über jedes Schmuckstück ausgerüstet werden. Manche Abilitys erfordern bestimmte Schmuckstücke um sie anlegen zu dürfen.
Die Abilitys selbst teilen sich auf in Aktionsabilitys und Supportabilitys.
Während Supportabilitys eher passive Boni gewähren, wie z.B. 10% weniger Schaden oder höhere Resistenz gegen Zustände, werden Aktionsabilitys nur im Kampf angewandt. Dabei sind einige nur von bestimmten Charakteren anlegbar und manche wiederum dürfen von allen verwendet werden.
Um jedoch Doppel- und Tripletechs nutzen zu dürfen müssen die entsprechenden Abilitys bei den betreffenden Charakteren angelegt sein.

Ein leider negativer Punkt stellt die Tatsache dar, dass es Abseits der Hauptgeschichte wirklich keinerlei Nebenmissionen vor dem Endgame gibt, welche das Geschehen etwas auflockern. So seid ihr gezwungen sehr stur der Hauptgeschichte zu folgen.
Auch die Oberwelt ist im Vergleich zu Chrono Trigger mehr als monoton. Es gibt keine optionalen Orte oder Gebiete, nicht mal vorbeifliegende Vögel oder Witterungsänderungen, welche das sehr monotone Bild auflockern. Generell wäre hier deutlich mehr möglich gewesen.

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Die Geschichte selbst ist in ca. 20 Stunden abgeschlossen, was einem zwar im Vergleich mit seinen Vorbildern oder Genrekollegen sehr kurz erscheinen mag, aber in Anbetracht der Tatsache, dass dieses Spiel keine Zeit verliert und die Story vom Fleck weg konsequent in Richtung Ende führt, mehr als ausreichend ist.

Die Präsentation (Musik & Grafik)

Bei dem Soundtrack handelt es sich um eines der charmantesten Experimente der letzten Jahre, denn der gesamte Soundtrack besteht aus reinen Pianostücken, welche auch wunderbar die Grundstimmung wiederspiegeln. Diese sind auch durchweg schön anzuhören, haben allerdings das Problem, dass sich manche Tracks sehr ähnlich anhören, was auf die Dauer doch recht eintönig ist.
Dabei umfasst der Original Soundtrack 71 Tracks und bietet etwas für jeden Geschmack.
Vom temporeichen Battletheme zur melancholischen Ballade ist alles vertreten.
Komponist dieses Werkes ist der relativ junge Videospielkomponist Tomoki Miyoshi, zu dessen Erstlingswerken unter anderem die Soundtracks von „Soul Calibur V“ und das „STEINS,GATE Symphonic Reunion“ Album zählen.

Die Grafik selbst ist für PlayStation 4 Verhältnisse nicht hässlich, liegt aber dennoch weit hinter seinen Möglichkeiten. Was mit Abstand am schwerwiegendsten auffällt sind die permanenten Lags und Framerateeinbrüche. Besonders auf der PlayStation Vita fallen diese enorm auf und insbesondere bei dieser Fassung ist die Umsetzung mehr als problematisch. Hier hat der Spieler immer wieder mit langen Ladezeiten und Lags zu kämpfen.

Abschließende Worte

An diesem Spiel scheiden sich die Geister.
Der Nostalgieeffekt, mit dem dieses Spiel oft in Verbindung gebracht wird, bezieht sich eher auf das Gameplay als auf die Erzählweise oder die Geschichte selbst. Das Gefühl, ein großes Abenteuer wie zu SNES oder NES Zeiten zu erleben verfliegt schnell und wird ersetzt durch einen Roadtrip, dessen Teilnehmer sich am Ende der Geschichte genauso unbekannt sind wie zu Beginn. Die Vorfreude auf neu zu entdecke Gebiete ist durch das monotone Design nahezu nicht existent. Selbst das Erkunden mit Hilfe eines Luftschiffes verkommt zu einem lustlosen Umhergeschwirre ohne wirklichen Tatendrang etwas zu entdecken, einfach weil es sehr wenig zu entdecken gibt.
Laut den Entwicklern wurde mit „Ikenie to Yukie no Setsuna“ nicht versucht etwas aus den 90er Jahren neu zu erschaffen, sondern den Weg zu zeigen, den dieses Genre hätte gehen können.
Allerdings fällt es mir schwer in diesem Spiel mehr zu sehen als ein Recycletes Chrono Trigger mit einigen wenigen Neuerungen.

Ich kann dieses Spiel allen Spielern empfehlen, die einmal einen Gameplay-technischen Blick in die Vergangenheit des Genres werfen möchten. Es ist kein schlechtes Spiel per se, allerdings ist es bei weitem auch kein Spiel, im Gegensatz zu Chrono Trigger, an das man sich in einigen Jahren erinnern wird.
Für ein Spiel das mit einem geringen Budget realisiert wurde, ist es in Ordnung, allerdings hoffe ich das Square Enix, sollten sie wirklich an diesem Franchise festhalten, sich doch mehr auf ihre alten Stärken besinnen, anstelle auf wiederverwertete Gameplayelemente.