Herzlichen Dank an Taake für die folgende Rezension!
(Vom 31.03.2013) Mit Ni no Kuni: Der Fluch der Weißen Königin erwartet den geneigten Spieler ein packendes Abenteuer, welches ihn in eine zauberhafte Welt mit liebevoll gestalteten Charakteren führt. Dass Ni no Kuni kein gewöhnliches Spiel ist, zeigt sich schon allein daran, dass es das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen Studio Ghibli (u.a. Mein Nachbar Totoro, Prinzessin Mononoke) und Level-5 (u.a. Dragon Quest IX, Professor Layton Reihe) ist. Diese beiden Namen reichen aus, um sowohl Film- als auch Spielefans weltweit in fröhliches Jauchzen zu versetzen. Genau das gelingt Ni no Kuni auch in einer ungeahnten Weise: Es haucht dem lange Jahre dahinplätschernden Genre der JRPG neues Leben ein, ohne dabei dessen Wurzeln zu vergessen. Ni no Kuni ist nicht nur eines der besten JRPGs, die ich in den letzten Jahren gespielt habe, sondern auch einer der besten Playstation 3 Exklusivtitel überhaupt.
Die Reise beginnt
Der stets gut gelaunte und aufgeweckte 13-jährige Oliver führt ein unbeschwertes Leben zusammen mit seiner Mutter in Motorville. Die meiste Zeit verbringt er mit seinem Freund Philip, mit dem er seine Leidenschaft für alle Arten von Maschinen teilt. Die beiden träumen davon ein eigenes Auto zu bauen und als dies endlich gelingt, stehlen sie sich des Nachts für eine kleine Testfahrt davon. Während dieses Probelaufes kommt es zu einem schrecklichen Zwischenfall, bei dem Olivers Mutter stirbt. Oliver, tief getroffen vom Tod seiner Mutter, sitzt allein in seinem Zimmer und macht sich große Vorwürfe. Sein einziger Trost ist eine Stoffpuppe, die seine Mutter für ihn gefertigt hat. Ihr klagt er sein Leid und als seine Tränen auf die Puppe fallen, wird diese plötzlich lebendig und stellt sich Oliver als Tröpfchen, Großfürst der Feen, aus einer anderen Welt (Ni no Kuni, jap. für „die andere oder zweite Welt“) vor. Tröpfchens Welt ist eine Parallelwelt zu der von Oliver. Da beide Welten miteinander verbunden sind, besitzt jeder aus Olivers Welt ein Gegenstück – einen Seelenverwandten – in Tröpfchens Welt. Ereignisse in der einen Welt haben Auswirkungen auf die Bewohner der anderen Welt. Tröpfchen erklärt, dass sich seine Welt in großer Gefahr befindet und Oliver dazu auserkoren ist, sie zu retten. Unserem kleinen Helden wird eröffnet, dass er ein Zauberer sei, dessen Bestimmung darin liege, Ni no Kuni und seine Bewohner vor dem drohenden Unheil zu retten. Mit Tröpfchens Hilfe gelangt Oliver in den Besitz des Magischen Begleiters, einem Buch mit Zaubersprüchen, Rezepten, Karten, Geschichten und vielem mehr. Überzeugt von Tröpfchens Worten, beginnt hier Olivers Abenteuerreise in eine fantastische und faszinierende Welt, die nur darauf wartet erkundet zu werden.
Die ersten Schritte durch Ni no Kuni offenbaren dem Spieler eine beinahe archetypische Studio-Ghibli-Welt, welche hier und da etwas mittelalterlich daherkommt, aber auch durchzogen ist von einem Mix aus Magie und Technologie. Ni no Kuni teilt sich in vier große Reiche: Frühlings-, Sommer-, Herbst- und Winterlande. Sie sind überzogen mit Bergen, Wiesen, Wäldern, Seen und Flüssen und weisen verschiedene klimatische Besonderheiten auf, welche – wie für ein RPG typisch – ebenfalls Einfluss auf die dort lebenden Gegner und ihre Fähigkeiten (Stärken, Schwächen und Resistenzen) haben.
Freunde und Vertraute
In Ni no Kuni angekommen, erweist sich Tröpfchen als nützlicher Reiseführer und Berater, jedoch nicht als sonderlich große Hilfe in Auseinandersetzungen. Mit anderen Worten: Im Kampf ist Oliver erst einmal auf sich gestellt, denn Tröpfchen hält sich stets bewusst im Hintergrund. Dies ändert sich jedoch bald und Oliver erhält seinen ersten Vertrauten, eine kleine Kreatur, die seinem Herzen entsprungen ist. Oliver und seine Vertrauten teilen sich Lebens- und Magiepunkte, heißt also konkret: stirbt der Vertraute im Kampf, so stirbt auch Oliver. Oliver lernt im weiteren Spielverlauf Weggefährten kennen, die ihn in seinem Kampf für das Gute unterstützen. Er und seine Kameraden können jeweils bis zu drei Vertraute gleichzeitig mit sich führen, von denen sich jeweils nur einer im Kampf für eine bestimmte Zeit einsetzen lässt. Ist die Zeit des Vertrauten abgelaufen, so müssen die Gruppenmitglieder auf einen der beiden verbliebenen Vertrauten zurückgreifen oder selbst kämpfen. Letzteres ist allerdings nur bedingt ratsam, da die Vertrauten als eine Art Puffer zwischen den Gruppenmitgliedern und dem Gegner fungieren. Bei nicht genutzten Vertrauten regeneriert sich deren Einsatzzeit und sie können wieder gerufen werden. Nach einem Kampf erhalten die Vertrauten ebenfalls Erfahrungspunkte und werden dadurch stärker.
Durch spezielle Nahrung, die man kaufen, finden oder alchemisieren kann, können die einzelne Statuswerte (Angriff, Magie, Verteidigung, etc.) der Vertrauten erhöht werden, um so gezielt Schwächen auszumerzen und/oder Stärken zu fördern. Haben die Vertrauten genügend Punkte gesammelt, so kann man sie auf eine höhere Evolutionsstufe heben. Jeder Vertraute besitzt drei Evolutionsstufen und verfügt entlang dieser über verschiedene Fähigkeiten und Eigenschaft, wie beispielsweise stärkere Angriffs- und/oder Heilzauber, physische Angriffe, usw. Die Vertrauten, die Oliver und seine Gruppe zähmt, werden in einem sogenannten Schlupfloch untergebracht, welches sich in allen Städten und den meisten Dungeons finden lässt. Hier können die Vertrauten jederzeit ausgewechselt werden. Das ganze Konstrukt erinnert sehr stark an Pokémon, denn auch in Ni no Kuni lässt sich nahezu jeder Gegner, der uns auf unserer Reise über den Weg läuft, fangen bzw. zähmen und kann anschließend trainiert sowie weiterentwickelt werden. Es lohnt sich also immer, sich in eine kleine Keilerei zu stürzen.
Gameplay
Der Spielverlauf von Ni no Kuni ist JRPG-typisch und kann getrost als klassisch bezeichnet werden: Ihr werdet entlang der Haupthandlung von Ort zu Ort geführt, erkundet zahlreiche Dungeons gefüllt mit Schatztruhen und habt die Möglichkeit, euch an den diversen Nebenmissionen zu versuchen. In diesen helft ihr Leuten beispielsweise wichtige Sachen zu finden, macht Botengänge oder besiegt das ein oder andere Monster. Eure tatkräftige Hilfe wird dabei stets mit etwas Geld, einigen Ausrüstungsgegenständen und Stempeln für eure Stempelkarten vergütet. Die Stempelkarten sind eine Art Bonussystem, ähnlich den Treuepunkten im Supermarkt. Wenn ihr eine bestimmte Anzahl von gefüllten Stempelkarten gesammelt habt, könnt ihr diese gegen Erweiterungen (z. B. schnelleres Laufen, MP-Verbrauch senken, mehr EXP pro Kampf, etc.) eintauschen. Die Belohnungen sind auch der Hauptmotivationsgrund, sich abseits der Haupthandlung mit den Nebenmissionen zu beschäftigen. Man kann sich darüber streiten, ob das sonderlich kreativ ist oder nicht, es ist auf jeden Fall Genre-typisch. Hier spürt man auch deutlich, dass es sich um ein Spiel aus dem Hause Level-5 handelt, denn streckenweise erinnert Ni no Kuni mit seinen Mechanismen etwas an Dragon Quest IX.
Während ihr euch nun also durch Ni no Kuni bewegt, sei es in einem Ort, einem Verlies oder der Weltkarte, stoßt ihr sowohl auf NPCs, mit denen ihr interagieren könnt, als auch auf vorher sichtbare Gegner. Greift ihr einen Gegner an oder werdet angegriffen, so wechselt ihr in einen Kampfbildschirm. Hier kontrolliert immer nur eine Figur, Oliver, einen seiner Gefährten oder einen Vertrauten. Ihr bewegt euch frei über das Schlachtfeld und könnt entscheiden, ob ihr physisch angreift, zaubert oder euch verteidigt. Habt ihr eine Aktion ausgeführt, so benötigt diese eine gewisse Zeit, bis ihr sie erneut einsetzen könnt. Die Kämpfe selbst laufen in Echtzeit ab und pausieren nur, wenn ihr den Charakter wechselt, einen Zauberspruch aussucht oder einen anderen Gegner angreifen wollt. Wie bereits beschrieben, könnt ihr eure Vertrauten nur für eine bestimmte Zeit einsetzen. Neigt sich diese Zeit also dem Ende zu, so müsst ihr reagieren und den Vertrauten wechseln. Dies ist wahrscheinlich auch der fundamentalste Bestandteil des Kampfsystems. Die Kämpfe bekommen durch die verschiedenen Fähigkeiten und Eigenschaften der Vertrauten eine gewisse taktische Komponente, die allerdings im weiteren Spielverlauf nicht wirklich ins Gewicht fällt, da sich die meisten Gegner schneller mit physischen als mit magischen Aktionen bezwingen lassen.
Das Kampfsystem weißt leider auch ein paar Mängel auf: Es kommt recht häufig vor, dass sich die Figuren beim Ausführen von Angriffen – sie bewegen sich automatisch auf den ausgewählten Gegner zu – im Weg stehen, was einen flüssigen Ablauf des Kampfes verhindert und oft den ein oder anderen Lebenspunkt kostet. Der wohl größte Mangel ist die KI der Mitstreiter. Ihr habt die Möglichkeit, diese über ein Taktikmenü mit Befehlen zu versorgen, doch leider erzielt das nicht immer den gewünschten oder erhofften Erfolg. Darüber hinaus gehen eure Kameraden sehr verschwenderisch mit ihren Magiepunkten um. Nach nur wenigen Kämpfen kann es vorkommen, dass diese nahezu aufgebraucht sind. Ihr solltet also immer ein Auge auf eure Gruppenmitglieder haben. Nach erfolgreichem Abschluss des Kampfes erhaltet ihr eine Handvoll EXP, etwas Geld und mit Glück auch den ein oder anderen Gegenstand.
Das wohl wichtigste Utensil im Spielmenü ist der Magische Begleiter, ein Buch von etwa 300 Seiten, auf das ihr über das Menü zugreifen könnt, um es dort bequem durchzublättern. Es ist gefüllt mit Zaubersprüchen, Informationen zu Monstern, Karten, Geschichten, Gegenständen und vielem mehr. Im Laufe des Spiels müsst ihr immer wieder auf den Magischen Begleiter zurückgreifen, um Dinge nachzuschlagen. Ohne dieses Zauberbuch währt ihr in Ni no Kuni also ziemlich aufgeschmissen. Ansonsten findet ihr im Spielmenü, die für ein JRPG üblichen Kategorien: den „nimmervollen Beutel“, in dem ihr alles was das Inventar – Waffen, Rüstungen, Gegenstände, etc. – betreffend organisieren könnt; ein Menü für Freunde und Vertraute, in dem ihr eure Charaktere und Vertrauten ausrüsten könnt; den Kreaturenkäfig, in dem ihr eure Vertrauten füttern könnt, um sie zu verbessern bzw. zu entwickeln; einen Zauberkessel, der euch erlaubt, allerhand Gegenstände herzustellen und einen sprechenden Stein, welcher Tutorials und Informationen zum Spielfortschritt enthält.
Sound & Vision
Was auf den ersten Blick sofort ins Auge fällt: Das grafische Konzept trägt die unverkennbare Handschrift des Studio Ghibli. Es ist ihnen eindrucksvoll und vor allem mit viel Liebe zum Detail gelungen, eine ebenso wunder- wie fantasievolle Welt – in die man uns schon in so manchem Anime entführt hatte – auf die Playstation 3 zu zaubern. Zugegeben, die Figuren und Umgebungen sind zwar sehr einfach – buchstäblich zweidimensional – gehalten, doch dies macht eben auch den unverwechselbaren Charme von Ni no Kuni aus. So lassen sich beim Streifen durch Städte und Dörfer auch hier und da zahlreiche Charaktere finden, die direkt dem ein oder anderen Anime von Studio Ghibli entsprungen sein könnten.
Neben seiner unglaublichen Optik bietet Ni no Kuni allerdings auch eine wunderschöne Klangkulisse. Komponiert von Joe Hisaishi (u.a. Chihiros Reise ins Zauberland, Mein Nachbar Totoro) und eingespielt vom Tokyo Philharmonic Orchestra untermalt die Musik dieses Abenteuer in stimmiger und nahezu perfekter Manier. Ni no Kuni kommt in unseren Breiten mit englischer und japanischer Synchronisation und lediglich deutschen Untertiteln daher. Diese funktionieren allerdings, vor allem in Hinsicht auf so manche Floskel oder Wortwitz, trotz Übersetzung – welche schon bei einigen JRPG daneben gegangen ist – wirklich ausgesprochen gut. Die Synchronisation selbst ist sowohl im japanischen als auch im englischen ausgezeichnet und so es gelingt den jeweiligen Sprecher auch den einzelnen Figuren und Charakteren Leben einzuhauchen. Einziger Wermutstropfen dabei ist, dass man das Gefühl nicht los wird, dass zu wenige Stellen im Spiel synchronisiert wurden. So liest und klickt man sich leider allzu oft nur durch ein Textfeld, statt in den Genuss einer brillant synchronisierten Szene zu kommen.
Verdikt
Ni no Kuni hat ohne Zweifel das Zeug, zu einem echten Klassiker zu avancieren, ist allerdings nicht über Kritik erhaben. Zu den positiven Dingen: Oliver, der Held des Spiels, ist ein besonderer Charakter, den man in dieser Form wohl nicht sehr häufig antrifft. Er ist liebvoll, sanftmütig, herzensgut und frei von jeder negativen Gedankenregung. Somit ist er für das Genre JRPG ein eher untypischer Protagonist, lebte das Genre doch immer von knallharten bzw. abgebrühten Jungs, die vor Kraft und Magie nur so trieften. Die Welt von Ni no Kuni ist zauberhaft fesselnd und bietet dabei viele tolle Geschichten, die gesehen und gehört werden wollen. Dabei überzeugt Ni no Kuni mit einem soliden, genre-typischen Konzept, welches – gepaart mit der Möglichkeit, hunderte von Monstern zu fangen und sie weiterzuentwickeln – einen immer wieder vor die Playstation 3 treiben kann. Der Soundtrack ist fantastisch auf das Spiel abgestimmt und fügt sich perfekt in das Gesamtkunstwerk Ni no Kuni ein.
Nun zu den negativen Seiten: Leider ist es vor allem die KI der Mitstreiter, die dem Spiel ein wenig den Schritt zum Meisterwerk verwehrt. Allzu oft entsteht der Eindruck, dass die Taktiken, die man den Mitgliedern der Gruppe vorgibt, nicht umgesetzt werden und diese ihre Magiepunkte nur so verschleudern. Generell wirken die Kämpfe etwas chaotisch und ungeordnet. Auch wenn man versucht hat, mit den verschiedenen Fähigkeiten und Eigenschaften der Vertrauten eine taktische Komponente zu addieren, erweist sich bloßes Draufhauen leider doch als einfachste Variante. Ebenfalls schade ist, dass man zu selten auf synchronisierte Dialoge trifft und sich stattdessen durch eine Fülle von Textfeldern kämpfen muss. Dies ist ein recht bitterer Wehmutstropfen, denn die Synchronisation ist eine der besten, auf die ich in den letzten Jahren in diesem Genre gestoßen bin.
Sieht man mal von diesen Kritikpunkte einmal ab, so präsentiert sich Ni no Kuni als echtes Glanzstück. Das Spiel ist dennoch relativ weit davon entfernt perfekt zu sein, aber viele ambitionierte Spiele, die einst Türen aufgestoßen haben – wie Final Fantasy VII beispielsweise, haben so ihre kleinen Fehler. Diese schmälern allerdings nicht den Gesamteindruck, den Ni no Kuni hinterlässt. Studio Ghibli und Level-5 ist es zweifelsfrei gelungen, ein JRPG zu erschaffen, dass diesem Genre neues Leben einhauchen konnte bzw. kann, ohne dabei das Rad gänzlich neu erfinden zu müssen. Ni no Kuni ist eines der besten JRPGs der letzten 5 Jahre und vielleicht einer der wichtigsten Playstation 3 Exklusivtitel.