Prolog
(Vom 04.12.2010) Wie schreibt man eine Review zu einem Spiel, das locker 10 Jahre auf dem Buckel hat? Einige Schreiber auf der CetraConnection könnten das sicher gut. Sie sind ja auch ein bisschen älter, bei mir ist das nicht so. Ich bin um einiges jünger. Um ehrlich zu sein, bis vor ein paar Jahren kannte ich Final Fantasy IX noch nicht einmal.
Diejenigen unter euch, die Veteranen, die schon seit Bekanntwerden von Final Fantasy dabei sind, werden jetzt hysterisch aufschreien und sich fragen: „Wie kann jemand, der Final Fantasy IX erst seit ein paar Jahren kennt, eine Review dazu schreiben?!“
Ich werde es einfach versuchen, da ich von dem Spiel, der Welt, den Charakteren und der Musik so begeistert war, wie bei (kaum) einem anderen Spiel. Ich habe inzwischen selbst fast alle Teile der Serie gespielt und ich schätze, dass ich mindestens genauso viel Begeisterung entwickelt habe. Und ich werde versuchen, diese Review so objektiv wie möglich zu schreiben, aber euch gleichzeitig meinen persönlichen Eindruck zu vermitteln. Also, wenn wir schon von Veteranen reden, dann fangen wir doch einmal dort an.
„Back to the Roots“
So das Grundprinzip von Final Fantasy IX. Nach den letzten Teilen VI, VII und VIII, die eher in eine futuristische Richtung gingen, entschied man sich, wieder zu den Wurzeln von Final Fantasy zurückzukehren. Bedeutet: Das komplette Setting des Spiels wurde im Sinne der älteren Teile in ein fiktives, mittelalterliches Szenario mit Königreichen, Prinzessinnen und Magiern angelegt. Auch der Stil weicht stark von dem vorangegangenen siebten und achten Teil ab. Die Farbgebung und das Verhalten der Charaktere wirkt nicht so düster und ernst, die Gestaltung der Figuren weniger realistisch, sondern mehr Comic-ähnlich.
Jene, die Final Fantasy I gespielt haben, werden diverse Parallelen finden. So treten im Spiel wieder Kristalle auf, welche in Teil 1 eines der Hauptziele darstellten. Zudem gibt es auch einen Charakter namens Garland, der eine Hommage an den Bösewicht des ersten Teils darstellt und daher den gleichen Namen trägt. Für mich persönlich war es geradezu perfekt, da ich zuerst Final Fantasy I gespielt hatte. Man könnte sogar meinen, Final Fantasy IX wäre eine Art Nachfolger vom ersten Teil der Serie. Viele Charaktere lassen sich eindeutig in eine Job-Klasse einordnen, die man dort auswählen konnte. Zum Beispiel gleicht Vivis Aussehen der Klasse der Schwarzmagier aus Final Fantasy I. Auch Garnet trägt zu Beginn ein Cape, dass an die Klasse der Heiler erinnert. Es gibt ähnliche Monster, man darf wieder mit 4 Charakteren kämpfen und zudem erscheinen die vier Chaosse, Todbringer, Kali, Aquadon und Tiamat, welche eine wichtige Funktion innerhalb der Story haben.
Doch das Spiel ist allgemein eine Hommage an die vorangegangene Final Fantasy Saga, da viele weitere, erinnerungswürdige Momente eingebaut wurden, die auf ganz eigene Art zum Tragen kommen und nie kopiert oder fehl am Platz wirken.
Die Story – Klischees und Atemberaubendes
Die Geschichte von Final Fantasy IX scheint einen stereotypischen Einstieg darzubieten. Sie beginnt mit einem „Prinzessin aus dem Schloss befreien“-Klischee, was sich doch etwas anders entpuppt, als man zunächst denkt. Denn ihr müsst die Prinzessin nicht retten, sondern eigens entführen.
Nachdem der Plan, die Königstochter Garnet (aufgrund ihrer freiwilligen Mitarbeit) zu entführen geglückt ist, stürzt ihr bei der Flucht mit einem Luftschiff in einem verwunschenen Wald ab, wo sich die Charaktere erst näher kennen und helfen lernen. Natürlich habt ihr keine Ruhe, denn wie man es sich denken kann, will die Königin ihre Tochter zurück. Also werden euch magische Kampftruppen, Auftragskiller und andere „nette“ Sachen hinterher geschickt, um euch aufzuhalten.
Anfangs bewegt ihr euch in noch recht unspektakulären Gegenden, doch schon bald wird die Spielewelt wortwörtlich fantastisch. Final Fantasy IX ist wie ein Fels, der mich wahrlich überrollt hat. Insgesamt bietet die Story viele Wendungen. Sie fesselt so gewaltig, dass man stellenweise nicht mehr aufhören will zu spielen. So ging es mir, da die Charaktere auf den ersten Blick recht lustig und meistens gut gelaunt wirken, doch auf den zweiten Blick offenbaren sie komplexe Persönlichkeiten, die jeder für sich ihre eigene Last mit sich zu tragen haben.
Die Atmosphäre
Die Atmosphäre zieht einen in ihren Bann. Das Spiel kam zum Ende der PSOne-Ära heraus und fordert die Konsole noch ein letztes Mal richtig.
Die Figuren und Hintergründe wurden mit Liebe zum Detail erstellt. Man kann beobachte, wie die Charaktere atmen, sich in Cleyra Windmühlen drehen oder Rauch flackernd aufsteigt. Jede betretbare Ortschaft besitzt eine charakteristische Architektur und die Farbwahl passt sich der Bedeutung des Ortes an. So vermittelt das Regenreich Burmecia in Zusammenspiel von trister Farbe, trauriger Musik und burgähnlicher Baukunst einen bedrückenden, aussichtslosen Eindruck, der passend das Szenario der Geschichte wiederspiegelt.
Die Zwischensequenzen des Spiels sehen selbst heute noch richtig gut aus und gehörten zur damaligen Zeit (ich kann es mir ja nur vorstellen) wohl mit zur obersten Qualität, die es auf der PSOne zu sehen gab. So schön, dass das Spiel auf ganze 4 CDs verteilt werden musste.
Ähnliches auch bei der gesamten Akustik. Der Soundtrack, geschrieben von Nobuo Uematsu, unterstreicht die märchenhaft mittelalterliche Atmosphäre mit passenden Instrumenten aus jener Zeit, wie beispielsweise dem Spinett oder altertümlichen Flöten. Die Musik ist weniger elektronisch, sondern viel mehr orchestral gehalten, was mit dem Gesamtbild wunderbar harmoniert.
Apropos Soundtrack. Final Fantasy IX hatte als zweites Spiel der Reihe einen Titelsong mit dem Namen „Melodies of Life“, welches die Sängerin Emiko Shiratori sowohl auf Japanisch als auch auf Englisch gesungen hat.
Die Charaktere
Die Charaktere wirken anfangs, wie oben bereits erwähnt, heiter und lustig. Als wollten sie einen nur zum Lachen bringen. Dabei scheinen sie immer auf einer bestimmten Art von Person zu basieren. Zidane wirkt zum Beispiel wie der typische Frauenheld, jemand, der sehr viel Selbstvertrauen hat und von sich überzeugt ist. Doch er hat auch einige Geheimnisse, die ihn selbst beschäftigen. So steht bei ihm z.B. die Frage im Raum, wer er eigentlich ist und wo er herkommt. Diese Fragen bestimmen meistens sein Handeln und man fragt sich als Spieler dasselbe, was dafür sorgt, dass man mit dem Charakter mitfühlt und sein Handeln nachempfinden kann.
So hat jeder Charakter seine eigene, tiefe Persönlichkeit, welche ein allgemeines Interesse an den Charakteren weckt. Im Spiel gibt es viele Nebencharaktere wie z.B. den Straßenjungen Puck, welcher Vivi am Anfang des Spiels hilft, in das Schloss Alexandria einzudringen und später große Verantwortung übernimmt. So erfährt man bei fast allen Charakteren einen plausiblen Handlungsgrund und, was noch viel entscheidender ist, eine charakterliche Weiterentwicklung.
Auch die Antagonisten sind nicht nach dem typischen Schwarz-Weiß-Schema gestaltet, sondern weisen vielfältige Persönlichkeiten auf. So wirkt Königin Brane anfangs kalt und kompromisslos, doch auch in ihr steckt mehr. Was sie natürlich nur selten erblicken lässt, aber es ist da. Gut zu sehen ist das zum Beispiel am Anfang, wo sie versucht, ihre Tochter aufzuheitern. Dort merkt man, dass sie kein komplett kaltes Herz hat und sie nicht immer so böse war.
Man merkt den Charakteren allgemein an, sowohl den Pro- als auch den Antagonisten, das sie facettenreich gestaltet sind. Alles in allem wurden die Charaktere im Spiel mit viel Charme und Liebe erdacht, was man jedem einzelnen anmerkt.
Das Kampfsystem
Das Kampfsystem läuft in Echtzeit ab. Auch hier wird an die früheren FF-Titel erinnert und zu viert auf dem Schlachtfeld gekämpft. Dabei stellt vor allem die Zusammenstellung einer aufeinander abgestimmten Truppe ein wichtiges Kriterium dar. Da die Charaktere auf Jobklassen ausgelegt wurden, lassen sich natürlich nicht vier Allrounder aufstellen, denn jeder Charakter hat individuelle Fähigkeiten.
Als Spezialattacken lassen sich die Trance-Zustände einsetzten. Unglücklicherweise kann man die Aktivierung der Trance nicht steuern, sodass euer Charakter möglicherweise in den Zustand übergeht, obwohl der Kampf so gut wie gewonnen ist und ihr ihn nicht mehr einsetzen könnt. Das wurde bei den Limit-Breaks aus FF VII und den Spezialangriffen aus FF VIII, wo man individuell den Einsatz entscheiden könnte, besser gehandhabt. Andererseits ist der spontane Trance-Ausbruch Story-bedingt, weshalb man sich wohl auch im Kampfsystem für diese Variante entschieden hat.
Die Trance hält an, bis der Balken unterhalb der HP-Leiste leer ist, und ruft Spezialattacken und ggf. Statusveränderung hervor. So kann Vivi in seiner Trance zwei Mal Magie wirken und Zidane Angriffe nutzen, die besonders viel Schaden anrichten.
Jegliche Art von Magie und Beschwörung benötigt MP (Magic Points), die Lebensleiste wird in HP (Hit Points) angezeigt – typische FF-Elemente.
Die visuellen Effekte, wie magische Angriffe oder die Anwendung von Heilmitteln, sind schön umgesetzt und die Beschwörungen mit einer Sequenz animiert, die wahlweise in der langen oder kurzen Version gezeigt wird. Für alle, die die immer gleiche Aufrufsequenz der G.F.s aus FF VIII nach wiederholtem Abspielen gelangweilt hat, eine gute Möglichkeit, den Ablauf des Kampfes durch die Kürzung zu beschleunigen.
In Punkto flüssiger Kampfablauf und Dynamik wurde im Bezug auf Teil VII und VIII nicht sehr viel geändert. Alles passt gut zusammen und wird auch nach längerem spielen nicht eintönig.
Die Abilities
Das bloße Erhöhen des Levels und damit der HP und MP ist längst nicht alles. Um bei speziellen Gegnern besonders viel Schaden zu verursachen oder vor negativen Statusveränderungen gefeit zu sein, ist das Lernen von Zaubern, Beschwörungen und Fähigkeiten durch Anlegen von Ausrüstung und Accessoires unabdingbar. Zu Beginn des Spiels besitzen eure Charaktere keine bis wenige Abilities, doch indem ihr verschiedene Gegenstände ausrüstet, lassen sich daran gekoppelte Fähigkeiten freischalten. Im Kampf erhaltet ihr AP (Ability Points), mit denen ihr Abilities permanent erlernen und mit Kristallen im Menü ausrüsten könnt, selbst wenn ihr den entsprechenden Ausrüstungsgegenstand ablegt. Danach könnt ihr, solltet ihr einen besseren Gegenstand oder einen mit spezifischen Status- oder Elementveränderungen in eurem Sortiment haben, eure Ausrüstung ersetzen und die erlernte Technik weiterhin benutzen, wenn ihr sie aktiviert.
Das Anlegen von Abilities vereinfacht manche Kämpfe erheblich und ihr könnt euch vor durchaus problematischen Zustandsveränderungen wie Glut/Frost oder Stein schützen, was euch bei Unachtsamkeit ein leichtes KO bescheren kann. Die Anzahl der aktivierten Abilities wird durch Kristallpunkte begrenzt, somit müsst ihr vor dem Kampf überlegen, welche Hilfsfertigkeiten sinnvoll sind.
Das Ability-System ist eine wunderbare Ergänzung zu den festgelegten Jobklassen, da die Charaktere unterschiedlich modifiziert werden und die meisten Fähigkeiten von allen erlernt werden können. So gewinnt ihr gegen einen schweren Gegner mit Erdangriffen spielend, wenn eure Charaktere mit „Levitas“ ausgerüstet sind und damit den Attacken entgehen.
Die Minispiele
Die Minispiele sind eine gute Abwechslung zur Hauptgeschichte und können euch sowohl kurz- als auch langfristig an sich binden. Vor allem das Kartenspiel Tetra Master, das Mog-Net und die Chocobo-Schatzsuche sind so angelegt, dass sie euch das ganze Spiel über begleiten und bei Laune halten.
Bei der Schatzsuche setzt ihr euch mit der Weltkarte auseinander und gelangt an Orte, die ihr sonst nicht aufsuchen würdet. Auch der geheime Bossgegner lässt sich nur via Chocobo erreichen und es braucht eine aufgelevelte Truppe und eine gute Ausrüstung, um ihn in die Schranken zu weisen. Die Chocobo-Schatzsuche ist ein spaßiges, langfristiges Minispiel, was sogar eine eigene kleine Nebengeschichte aufweist und daher auch atmosphärisch punktet.
Während eurer Reise spielt ihr zudem den Postboten der flauschigen Mogrys. Das Mog-Net ist am ehesten mit der Hauptgeschichte verwoben. Ihr verteilt Briefe und erhaltet dadurch weitere Hintergrundinformationen, die das Verständnis erleichtern. Doch primär ist das Mog-Net vor allem eins – süß und humorvoll. Allein die Tatsache, dass die Mogrys sich schreiben, und sei es der größte Nonsens, führt zur größeren Auseinandersetzung mit dem Spiel auf eine spaßige Art und Weise, für die man gerne den Laufburschen spielt. Am Ende des Rätsels um die Zustellungsprobleme der Briefe erwartet euch zwar ein nützliches Item, doch das Minispiel reizt vor allem wegen seines liebenswürdigen Charmes.
Eine Partie Tetra Master, ein dem Tripple Triad aus Final Fantasy VIII ähnlichen Kartenspiel, lässt sich mit diversen Figuren spielen, wenn ihr sie ansprecht. Um eure Sammlung zu komplettieren und den höchsten Rang zu erreichen, bedarf es einiges an Übung, was durchaus frustrierend sein kann, wenn ihr einmalige Karten an eure Gegner verliert und nicht zurückgewinnen könnt. Man sollte darauf achten, unnütze Karten rechtzeitig aus dem Inventar zu werfen, da sonst (seltene) Karten, die ihr in Schatzkisten findet, automatisch weggeworfen werden, wenn es voll ist.
Auch kleinere Minispiele bieten einen netten Ausflug abseits der Hauptereignisse, wie beispielsweise das Seilspringen und der Hippo-Wettlauf mit Vivi. Hier lassen sich nützliche Items gewinnen, doch um die besonders Wertvollen zu erlangen, müsst ihr einiges an Geduld und Fingerfertigkeit mitbringen, was auf die Dauer richtig nervig sein kann. Denn das monotone Tastendrücken beim Seilspringen kann einen schon zur Verzweiflung bringen, wenn man aus dem Takt kommt und erneut von Vorne beginnen muss.
Während eurer Reise im Weltkartenmodus begegnen euch von Zeit zu Zeit mystische Geister, deren gelöstes Rätsel euch beim geheimen Bossgegner hilft, oder ein schräger Quizmaster, der euer Wissen über die Geschichte prüft und bei dem ihr ein paar Gil gewinnen könnt. Im Vergleich zu älteren FF-Teilen eine gute Auflockerung zu den sonst ausschließlich auftretenden Monsterkämpfen, was positiverweise auch nicht allzu oft eintritt und das Aufleveln stören könnte.
Ansonsten warten noch viele weitere, kleine Geheimnisse auf ihre Entdeckung, die nur in Einzelfällen schnell eintönig werden und prinzipiell eine tolle Ergänzung zum Gesamtkonzept sind, weil man die Welt dadurch viel intensiver kennenlernt.
Epilog
Genau definieren kann ich nicht, was mich an Final Fantasy IX so bindet. Vielleicht, weil es ein Gesamtkunstwerk ist? Ja, so zumindest mein Eindruck.
Meine Review kommt nach mehrstündigem Überlegen und Schreiben zu einem Ende, und das würdig. Final Fantasy IX ist eines meiner allerliebsten Spiele und ich empfinde es als das beste Final Fantasy auf der PSOne. Die faszinierende Story, die wunderbar designten Charaktere, das gut funktionierende Kampfsystem — OK, ehrlich gesagt könnte man das an so ziemlich jedes Ende eines Final Fantasy Tests dranhängen (vor allem, wenn man selbst Fan der Serie ist). Aber es passt, denn das Fazit ist Klischee ebenso wie Teile des Spiels, das dennoch ungeheuer viel Individualität besitzt und im Gedächtnis bleibt.