Chrono Trigger Retro-Review

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Die Zeit kann eine harte Prüfung sein

Einführung

(19.07.2014) Viele Dinge erscheinen uns auf den ersten Blick brillant oder genial, verlieren dennoch über die Jahre immer mehr an Reiz und Schönheit. Sicher, manche Dinge mögen auch nach einiger Zeit noch sehr schön auf uns wirken, aber machen wir uns nichts vor: der alte Glanz ist für immer dahin. Filme verlieren mit der Zeit immer mehr an Reiz, Bücher werden langweiliger, je öfter man sie liest. Auch bei Kleidung oder anderen Haushaltsobjekten trifft dies zu, und leider auch auf unser aller Hobby: Videospiele.

Doch hin und wieder erscheint etwas in unserem Blickfeld, das uns wie magisch anzieht und uns auch nach über einem Jahrzehnt noch zu entzücken weiß. Chrono Trigger ist eines dieser Spiele. Selbst heute, über 19 Jahre nach seinem ursprünglichen Debut 1995, ist Chrono Trigger eines der bekanntesten J-RPGs aller Zeiten und es gilt neben solchen Perlen wie Terranigma, Lufia II und Final Fantasy VI als eines der Aushängeschilder in Sachen RPG für das SNES.

Und es braucht sich nicht im geringsten vor seinen Kameraden zu verstecken, denn obwohl dieses Spiel weder die düstere Stimmung eines FFVI noch die knackigen Rätseleinlagen eines Lufia II besitzt, kommt es dennoch mit einem der interessantesten Konzepte daher.

Leider wurde es seinerzeit nicht in Europa veröffentlicht, obwohl es auch in den USA recht beliebt und erfolgreich war. Erst im Jahre 2009 erschien Chrono Trigger erstmals auch in Europa für denNintendo DS, womit auch wir in den Genuss dieser Perle kamen.

Das Rad der Zeit beginnt sich zu drehen

Die Hintergrundgeschichte

Die Geschichte beginnt im Jahre 1000 A.D. (Anno Domini) im Lande Guardia. Hier bereitet sich das gesamte Königreich mit Eifer auf das „Millennial Fair“ vor, welches zur Feier des neuen Jahrtausends abgehalten wird. Unser Protagonist, Chrono, wird etwas unsanft aus dem Schlaf gerissen, ist jedoch schnell wieder guter Dinge, da dieses Fest für einen Jungen seines Alters viele Attraktionen zu bieten hat.

Auf dem Millennial Fair lernt er durch einen Unfall das aufgeweckte Mädchen Marle kennen, welches ihn sofort bei einer Besichtigung des Festes mit einspannt. Die Hauptattraktion des Festes ist die Präsentation einer mysteriösen Maschine, welche von Chronos Jugendfreundin Lucca entwickelt wurde. Diese Maschine entpuppt sich als Teleporter, der in klassischer Star-Trek-Manier Dinge oder Personen von einem Ort zum andern bringt.

Nachdem Chrono den Test ohne Blessuren überstanden hat, ist natürlich auch Marle einem Versuch nicht abgeneigt. Dieser geht jedoch schief, da sie ein Amulett bei sich trägt, auf welches die Strahlung der Maschine eine merkwürdige Wirkung erzielt. Vor den Augen der entgeisterten Menge muss Chrono mit ansehen, wie seine frische Bekanntschaft beinahe spurlos verschwindet.

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Entschlossen, herauszufinden, was mit Marle geschehen ist, nimmt er das zurückgebliebene Amulett an sich und betritt erneut den Teleporter, um ebenfalls von einer Art Wurmloch verschluckt zu werden. Als Chrono zu sich kommt, muss er mit Schrecken feststellen, dass er anscheinend in der Zeit zurückgereist ist.

Was sich im ersten Moment nach einer 08/15 Geschichte anhört, wie wir sie zu hundertsten aus Büchern und Filmen kennen, ist in Wahrheit ein sehr komplexes Geflecht aus mehreren Hintergrundgeschichten. So erleben wir den Krieg zwischen den Menschen und Mystikern, den Aufstieg der Magie, das evolutionäre Ringen um Dominanz zwischen Menschen und Dinosauriern und sogar eine waschechte Revolution der Maschinen.

Das ganze wird aufgelockert durch mehrere Sidestorys, die sich nahtlos an die Hauptgeschichte anfügen. So machen wir im Jahre 1000 A.D. aus einem notorischen Geizhals einen spendablen, großherzigen Mann, indem wir im Jahre 600 A.D. dem hungerleidenden Vorfahren von ihm etwas spenden. Auch die Hauptfiguren haben größtenteils kleine Sidestorys bekommen, wodurch diese etwas aufgebaut werden und wir mehr über ihre Hintergründe und Gedanken erfahren.

Die Zeit verweilt lange genug für denjenigen, der sie nutzen will

Das Spielprinzip

Hier bietet Chrono Trigger uns eine für die damalige Zeit bunte Mischung aus bewährten Prinzipen.

Ihr erkundet mit einer kleinen Gruppe Dörfer und Dungeons, redet mit Leuten und sammelt Items ein. Soweit bietet dieses Spiel also nichts, was uns nicht auch Final Fantasy VI bieten würde, was wohl dem Produzenten geschuldet ist, denn dieser ist niemand geringeres als FF-Mastermind Hironobu Sakaguchi. Aber der Teufel liegt im Detail. In der Art und Weise, wie ihr mit den Leuten interagiert, habt ihr die Möglichkeit den Lauf der Geschichte zu ändern, was euch im späteren Verlauf in anderen Zeiten zum Wohle gereichen wird.

Ein Highlight dieses Spiels sind die Kämpfe. Diese laufen über das Square-typische Active-Time-Battle-System ab, welches wir aus Final Fantasy IV,V und VI kennen. Allerdings gibt es keine Überblendung in den Kampfbildschirm, wenn es zu einer Konfrontation kommt, denn die Gegner sind von Anfang an auf dem Bildschirm sichtbar und bewegen sich auf bestimmten Routen. Wenn ihr diese berührt oder bestimmte Aktionen in der Umgebung ausführt, erscheint das Kampfmenü an einem der Bildschirmränder und der Kampf beginnt. Ähnlich wie in Final Fantasy wählt ihr zwischen verschiedenen Angriffen, Magien und Items.

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Ein absolutes Novum bilden die Teamangriffe. Je nachdem, welche Figuren ihr in eurer Gruppe habt, ist es möglich, dass zwei oder sogar alle drei Figuren ihre Angriffe bündeln, um eine besonders starke Attacke vom Stapel zu lassen. Um dies zu bewerkstelligen, müssen die Figuren, welche zusammen angreifen wollen, eine bestimmte Fähigkeit bereits erlernt haben. Zudem müssen ihnen genug MP zur Verfügung stehen, um ihre Attacken ausführen zu können, und die ATB-Leisten gleichzeitig gefüllt sein. Ist dies der Fall, erscheint die Dual- oder Trippelattacke im Magiemenü und kann ausgeführt werden.

Auch die Wirkungen der Magien sind etwas anders aufgebaut als es in den frühen Final Fantasys der Fall war. Jeder Charakter ist einem Element zugeordnet, worauf sämtliche Magien und Spezialangriffe beruhen. So besitzt Chrono das Element „Licht“, was ihn dazu befähigt, Blitzmagien zu wirken während Marle dem Element „Wasser“ zugeordnet ist. So wird die Gruppenaufstellung zu einem entscheidenden Faktor innerhalb des Spiels, denn manche Gegner reagieren anders auf bestimmte Elemente.

Einige Gegner lassen sich nur durch Magien allgemein bezwingen, wieder andere kontern, wenn sie mit bestimmten Magien attackiert werden. Dinosaurier haben von Natur aus eine sehr hohe Verteidigung, welche aber durch Blitzmagien ausgehebelt werden kann, während steinerne Gegner sehr empfindlich auf Wasser reagieren und dadurch angreifbar werden.

Es gibt auch Ausnahmen. Das Repertoire von einem eurer zukünftigen Partymitglieder besteht komplett aus physischen Angriffen, die verschiedenste Effekte „simulieren“. Unter anderem ein Angriff, der prozentualen Schaden anrichtet. Ein anderer verfügt hingegen über ein rein magisches Arsenal und beherrscht die mittleren Stufen aller Zauber sowie einiger Dunkelmagien, welche den Gegner mit diversen Zuständen hemmen können.

Trotz der Vielzahl an Fertigkeiten und Waffen sind Kämpfe jedoch nie wirklich einfach. Besonders spätere Gegner können euch selbst auf maximaler Stufe ohne Probleme über den Jordan befördern. Auch die Bosskämpfe werden dem Spieler einiges an Koordination abverlangen, weshalb es manchmal den Eindruck macht, das Spiel sei unfair. Doch zu jedem Gegner gibt es eine Taktik, die es zu entdecken gilt.

Hervorzuheben ist, dass Chrono Trigger einen enormen Wiederspielwert hat. Nach dem ersten Durchlauf bekommt ihr die Möglichkeit, in einem New Game+ das Spiel erneut zu starten und dabei euren Charakterfortschritt zu behalten. Des weiteren erhaltet ihr die Möglichkeit, jederzeit den letzten Boss des Spieles bekämpfen zu können, was es euch erlaubt, alternative Ende freizuspielen. Je nachdem, an welchem Punkt der Hauptgeschichte ihr den Boss besiegt, erhaltet ihr eines von 13 möglichen Enden. Einige davon sind alles andere als ernst gemeint, aber bereichern das Spiel ungemein.

Im großen und ganzen bietet Chrono Trigger hier eine solide RPG-Kost.

Rolex oder Taiwanimport

Die Präsentation

Die Präsentation ist wahrscheinlich eines der interessantesten Projekte der damaligen Konsolengeneration. Hier wurden die klügsten Köpfe von Square und Enix in ein gigantisches Projekt eingespannt. Das Charakterdesign stammt aus der Feder von Akira Toriyama (Dragonball, Dragon Quest), dessen unverwechselbaren Stil man auch sofort erkennt. Egal ob Chronos zackige Frisur, Marles orientalisch angehauchtes Outfit oder Magus diabolisches Lächeln, hier war der Meister am Werk.

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Die Umgebungsgrafiken kommen relativ abwechslungsreich daher und sind bis auf wenige Ausnahmen sehr bunt gehalten, ebenso die Figuren. Die Animationen der Hauptfiguren sind für die damalige Technik gut ausgearbeitet und sämtliche Hauptfiguren haben sogar Sprites spendiert bekommen, die ihre Mimik darstellen. Allerdings sind die normalen NPCs sehr monoton gehalten und unterscheiden sich in den meisten Fällen nur durch die Farbe ihrer Kleidung. Die Monster bilden ein echtes Highlight, da sie allesamt wirken, als seien sie direkt einem Dragonball-Manga entsprungen und viele davon haben auch gesonderte Animationen bekommen, um harte Treffer anzeigen oder bestimmte Fähigkeiten darstellen zu können.

Bei der PSX- und DS-Version des Spieles bekommt man zusätzliche Animesequenzen geboten, deren Qualität für die damalige Zeit in Ordnung ist. Leider sind diese sehr kurz und an manchen Stellen doch etwas pixelig, was das Gesamtbild eintrüben kann.

Die Android-Version wurde grafisch hochskaliert und sieht weniger pixelig aus als das Original.

Was den Spielspaß der etwas aktuelleren Varianten trübt (PSX/DS) ist die Tatsache, dass diese sehr schlampig portiert wurden. So habt ihr zwischen den Kämpfen eine deutlich längere Ladezeit und auch nach den Videosequenzen wird der Spielfluss durch diese enorm gestört.

Das Ticken der Uhr

Der Soundtrack

Auch hier dürfen wir uns an einer außergewöhnlichen Kollaboration erfreuen, denn an dem Soundtrack arbeiteten die zwei Urgesteine Nobou Uematsu (Final-Fantasy-Serie) und Yasunori Mitsuda. Für Letzteren war die Arbeit an Chrono Trigger der Einstieg als bekannter Videospielekomponist.
Der Soundtrack bietet ein breites Spektrum an verschiedensten Songs, welche sich nahezu perfekt in die Welt einfügen. Über die sanften, synthetischen Flötenklänge, die euch in der Oberwelt von 1000 A.D. begleiten über das dicht atmosphärische, minimalistisch düstere „Strains of Insanity“, das in einem finsteren Schloss spielt, bis hin zu den Charakter-Themes, die euch nicht mehr loslassen. Besondere Highlights sind dabei die Battle Themes sowie das grandiose „Schala’s Theme.

Eine Bekannte hat es treffend wiedergegeben, was ich dazu denke:

„Man kann den Soundtrack so hören und sofort toll finden, aber erst in Verbindung mit dem Spiel erkennt man den wahren Glanz dieses Meisterwerks.“

Ich denke, besser kann man es nicht beschreiben.

Abschließende Worte

Emotionen sind der Schlüssel zu Chrono Triggers Exzellenz.

Es ist nicht das Kampfsystem mit seinen Neuerungen oder die für damalige Zeiten grandiose Grafik, die dieses Spiel auszeichnen. Es ist auch nicht der tolle Soundtrack oder die witzigen Animationen der vielen Figuren, die dieses Spiel so lebendig wirken lässt. Es ist vielmehr die Gesamtheit, die dieses Spiel so einzigartig macht.

Es ist die Musik, die ihr hört während ihr mit symphytischen Figuren durch eine Welt zieht, in der es immer etwas zu entdecken gibt. Es sind die Schicksale der Charaktere, die euch im Spielverlauf ein Lächeln entlocken und es ist der Charme und der Witz, der euch ein Schmunzeln auf die Lippen zaubert. Es ist die kraftvolle Mischung aus schöner Musik, hübscher, nostalgietriefender Grafik und kreativen Spielmechaniken, gepaart mit einer zauberhaften Geschichten, gewoben von den J-RPG-Größen ihrer Zeit. All dies zusammen macht dieses Meisterwerk einfach zeitlos.

Nicht jeder wird den Stil mögen oder mit dem Alter des Spiels zurechtkommen, da es eben doch recht altbacken ist, aber wer einmal in die Vergangenheit eintauchen und sehen will, wie die Ursprünge des J-RPG-Genres aussahen, ist bei Chrono Trigger genau richtig.