(10.05.2016) Das Squaresoft nicht nur auf die Popularität eines Final Fantasys angewiesen ist, um gute Spiele zu erschaffen, scheint heutzutage beinahe unglaubwürdig, da so ziemlich jedes momentan bekannte Rollenspielfranchise der Reihe in irgendeiner Weise mit der großen Milchkuh verwoben ist.
Allerdings gab es eine Zeit, in der Final Fantasy zwar beliebt, aber bei weitem nicht so populär war wie heutzutage. Zu dieser Zeit fanden sich die kreativsten Köpfe des Studios zusammen, um an einem einzigartigen Projekt zu arbeiten. Diese damals unscheinbare Kollaboration erhielt gewaltige positive Resonanz und zählt noch heute als ein Meilenstein der Videospielgeschichte. Chrono Trigger setzte, zusammen mit Final Fantasy VI, neue Maßstäbe in Sachen Erzählkunst und Gameplay und definierte viele Standards, welche heute sowohl für westliche RPGs und Japano RPGs gelten.
Selbstverständlich wurde nach kurzer Zeit der Ruf in der Community nach einem Nachfolger immer lauter und nach 5 langen Jahren des Schweigens wurde Chrono Cross angekündigt. Anfänglich wurde diese Ankündigung noch mit viel Misstrauen beäugt…
Was ist aus dem „Dreamteam“ geworden, welchem Chrono Trigger seinen Charme verdankt?
Wo sind all die Figuren, die wir im Laufe des Spieles lieben gelernt haben…
Nachdem dann noch angekündigt wurde das man über 40 spielbare Charaktere plant, verloren viele Fans den Glauben an dieses vielversprechende Franchise. Stimmen wurden laut die behaupteten, Square hätte sein Talent zum erzählen einer fantastischen Geschichte zugunsten eines schnellen Dollars verkauft.
Doch glücklicherweise muss es nicht das Dreamteam sein, welches das Monopol auf Innovation für sich gepachtet hat. Denn wie auch beim Vorgänger sind es die einzelnen Bestandteile die zusammen ein Spiel und eine Geschichte bilden, welche andere Spiele schmerzlich vermissen.
Des Schicksals Windungen ~ Die Geschichte
Wie oft kommt man an einen Punkt in seinem Leben, an dem man sich fragt was wäre, wenn man eine Entscheidung anders getroffen hätte.
Noch heute stelle ich mir oft die Frage was passiert wäre, wenn ich in der Schule schlechter, auf der Arbeit zielstrebiger oder in einen anderen Studiengang gewechselt wäre.
Je weiter man zurückdenkt, umso unwiederlegbarer ist die Tatsache, dass man früher oder später an einen Punkt ankommt, der im Falle einer anderen Entscheidung, das eigene Dasein radikal geändert hätte. Der Punkt an dem wir uns für einen anderen Weg entscheiden hätten können und die Frage inwiefern sich unser Leben von unserem jetzigen Zustand unterscheiden würde.
Diese Frage ist der Ausgangspunkt der Handlung von Chrono Cross.
Während sich der Vorgänger mit dem Theorem des Zeitreisens beschäftigte, dreht sich bei Chrono Cross alles um die Existenz von parallelen Universen.
Dreh und Angelpunkt der Handlung ist der stille Protagonist Serge, welcher als Fischerjunge in dem Dorf Arni sein beschauliches Leben führt. Jedoch wird er durch ein mysteriöses Ereignis in eine Parallelwelt geworfen, die mit seiner eigenen nahezu identisch ist, in der sein Leben jedoch einen ganz anderen, tragischeren Verlauf genommen hat. Nach und nach findet er heraus, dass er in dieser Welt bereits vor 10 Jahren verstorben ist und sich das Leben seiner engsten Freunde und Verwandten dramatisch geändert hat. Aus Mangel an Perspektive und Vertrauten in dieser Welt begibt er sich mit der rowdyhaften „KID“ auf die Jagd nach einem alten Artefakt mit dem mysteriösen Namen „Frozen Flame“, welchem nachgesagt wird, dass es sowohl Zeit als auch Realität verzerren kann. Dabei werden sie verfolgt von Lynx, einem katzenhaften Halbmenschen, der mehr über Serge und das Phänomen zu wissen scheint. Dieser ist ebenfalls auf der Jagd nach der „Frozen Flame“ und verfolgt seine eigenen, schattenhaften Ziele. Serge wird auf diverse Freunde und Feinde treffen und ein Abenteuer erleben, an deren Ende er mehr über sein Schicksal, „Kids“ Herkunft und die Umstände erfährt, die zu dieser Parallelwelt geführt haben.
Der Geschichte von Chrono Cross gelingt ein Balanceakt der vielen Sequels zum Verhängnis wurde.
Es ist keine Wiederverwertung, bereits aus Chrono Trigger bekannten Handlungsstränge, aber besitzt auch genügend Verbindungen zum Original um nicht als loses Spin-Off dazustehen.
Stattdessen generiert es eine in sich schlüssige, gleichsam gültige und gut durchdachte Welt, mit welcher die Ereignisse von Chrono Trigger im Verlauf der Geschichte immer weiter verwoben werden. Allerdings muss erwähnt werden, dass die Geschichte bisweilen unglaublich komplex ist. Sogar so komplex, dass die Geschichten von Final Fantasy VII oder VIII dagegen relativ simpel gestrickt erscheinen und relativ schnell zum Punkt kommen.
Ein weiterer grandioser Punkt ist die schier unglaubliche Charaktertiefe mit welcher JEDER (!) der 40 spielbaren Charaktere ausgebaut wurde. Jede Figur hat ihre eigene mal mehr, mal weniger komplexe Geschichte und harmoniert oder interagiert mit anderen Charakteren auf einer gewissen Ebene.
Dabei reichen die Charaktere über das typische „Krieger-zieht-aus-um-Jugendliebe-zu-beeindrucken“ bis hin zu einem Holzfäller, der sich aufgrund seiner Fressgier an einem seltenen Pilz vergeht und fortan sein Leben selbst als Pilz fristen muss. Dabei wirken manche Charaktere sogar so überzeichnet, dass sie geradewegs aus einem Anime entsprungen sein könnten.
Das Spielprinzip
Das Spielsystem unterscheidet sich in vielen Dingen nicht von Chrono Trigger. Ihr überquert eine große Oberwelt um Städte, Dungeons und Tempel zu erreichen, wo ihr gegen Monster kämpft, Gegenstände kauft, mit NPCs redet und die Handlung vorran treibt. Das Kampfsystem unterscheidet sich jedoch drastisch von so ziemlich jedem JRPG der damaligen Zeit.
Das Kampfsystem selbst besteht aus 3 Komponenten: Dem Elementsystem, dem Staminasystem und dem Charakterwachstum. Das Elementsystem ersetzt hierbei sowohl das althergebrachte Itemsystem als auch das oft verwendete Abilitysystem. Jeder Charakter hat eine gewisse Anzahl an Slots zur Verfügung, welche mit Elementen gefüllt werden können. Dabei entspricht jede Reihe von Slots einem gewissen Elementlevel. Dieses Level gibt an welche Mindeststufe ein Element haben muss, das in diesen Slot gesockelt werden kann. Jedes Element hat eine Levelgrundstufe und eine +/- Variable. Diese Variable gibt an ob sich die Wirkung anhand des Slots verstärkt oder verringert. So besitzt das Lv.1 Element „Feuerball“ die +/- Variable „3“ was bedeutet das sich die Wirkung um das 3 fache steigern kann. Da dieses Element den Lv.1 besitzt kann es bereits von Anfang an gesockelt werden. Wird dieses Element jedoch in einen Lv.3 Slot gesetzt erhält dieses durch den Levelunterschied den Zusatz „+2“.
Jedes Element ist zusätzlich einer Farbe zugeordnet, welche wiederum einem anderen gegenüber mal mehr oder weniger effektiv sind. So sind rote Elemente gegen blaue effektiv, gelbe gegen grüne und weiße gegen schwarze und umgekehrt. Diese Zuordnung betrifft nicht nur Elemente sondern auch Gegner und Charaktere. So ist Serge z.B. blau, während Kid hingegen dem roten Element zugeordnet ist.
Neben den üblichen Schadenselementen gibt es jedoch auch unterstützende Elemente. So gibt es Elemente, die bestimmte Angriffe stärken oder abschwächen, Heilelemente und sogar Elementfallen, welche es erlauben, bestimmte Elemente bei deren Nutzung durch Gegner abzufangen, damit ihr sie eurem Fundus hinzufügen könnt. Dazu kommen die Wechselelemente, welche das zugeordnete Element verändern und euch so mehr taktischen Freiraum geben.
Das Staminasystem hingegen erlaubt euch erst das Nutzen der Elemente im Kampf. Zu Beginn des Kampfes besitzt jede Figur 7.0 Staminapunkte. Jede Aktion verbraucht eine bestimmte Anzahl Staminapunkte und eine Runde endet erst wenn sämtliche Staminapunkte verbraucht sind.
So verbraucht zb. ein Lv. 7 Element ganze 7 Punkte während ein Lv.1 nur 1 Punkt verbraucht.
Allerdings sind Elemente nicht von Anfang an im Kampf nutzbar, denn zu Beginn des Kampfes müssen diese erst freigeschaltet werden. Dies geschieht durch normale Angriffe, die in 3 Varianten daherkommen. Ein schwacher Angriff trifft mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit den Gegner und schaltet 1 Reihe von Elementen frei, verursacht allerdings nur minimalen Schaden zu den Kosten von einem 1 Staminapunkt. Ein „normaler“ Angriff verursacht moderaten Schaden, schaltet 2 Reihen frei und hat in etwa eine 50/50 Chance den Gegner zu treffen und verbraucht 2 Staminapunkte. Ein starker Angriff trifft im direkten Vergleich eher selten und kostet 3 Punkte, verursacht dafür aber hohen Schaden und schaltet 3 Reihen frei. Habt ihr die Reihen freigeschaltet und noch Staminapunkte übrig, könnt ihr ein beliebiges Element wählen und anwenden. Nach der Nutzung dieses Elements wird dieses für den Rest des Kampfes gesperrt und kann erst im nächsten Kampf wieder verwendet werden.
Jedes Element das im Kampf genutzt wird beeinflusst den sogenannten „Field Effect“. Dieser zeichnet auf, welche Art von Elementen in den letzten 3 Runden genutzt wurden und sollte dieser komplett auf ein Element abgestimmt sein (sprich 3 mal in Folge ein Element der gleichen Farbe) wird dessen Effektivität um das 3 fache erhöht. Ausserdem ermöglicht dies den Einsatz von Beschwörungselementen, welche zu den stärksten Elementen im Spiel gehören.
Das Charakterwachstum wird durch den „Summon Star“ beeinflusst. Dieser steht für eine Art Wachstumsgrenze. Nach jedem Kampf werden die Statuswerte der Figuren zufällig um einen Wert erhöht bis diese an die durch den Stern vorgegebene Grenze stoßen. Ab diesem Punkt ist kein weiteres Charakterwachstum möglich ohne vorher den nächsten Stern freizuschalten. Dies geschieht durch das Besiegen von storyrelevanten Bossen und es ist im Spiel so vorgesehen, dass man, während des ersten Durchlaufs, seine Charaktere nicht überzüchten kann.
Die Präsentation
Die grafische Präsentation kann sich für die damalige Zeit durchaus sehen lassen und es befindet sich auf einem Level mit dem beinahe zeitgleich erschienenen Final Fantasy IX.
Während Final Fantasy VII und VIII auf eine poliertere Grafik setzen, sieht Chrono Cross wesentlich organischer aus. Die Umgebungen sind nicht minder detailiert, wirken aber durch kleine Details wesentlich lebendiger. So ziemlich jede kleine Niesche kann in jedem Gebiet erkundet werden und die Umgebung verschmilzt perfekt mit den Figuren und der musikalischen Untermalung.
Besonders hervorzuheben sind die Darstellungen während der Kämpfe. Dort sind die Figuren sehr schön animiert und designt. Auch die Animationen der Fähigkeiten sind für die damalige Zeit angemessen, auch wenn sie nicht an die brachiale Wucht der Final Fantasy VIII/IX Animationen heranreichen.
Ein weiterer erwähnenswerter Punkt ist die ausgezeichnete Lokalisierung. Jede Figur hat ihre eigene, unverwechselbare Art zu sprechen, was bei jeder Figur die Eigenheiten noch mehr unterstreicht. Ähnlich wie in der deutschen Version von Final Fantasy IX wird hier viel mit regionalen Dialekten, gebrochenen Fremdsprachen und Betonungen gespielt, was dem ganzen einen ganz eigenen Charme verleiht und einen direkt in die Welt eintauchen lässt.
Die musikalische Untermalung
Obwohl Komponist Yasunori Mitsuda bereits vor Chrono Cross an vielen Werken arbeiten durfte, kann man Chrono Cross jedoch als einen Meilenstein in seiner Schaffenskraft betrachten. Von dem epischen, schnellen Intro bis hin zum emotionalen Finale nimmt Mitsuda den Spieler mit auf eine Reise zu exotischen, fremden Orten bis zu vertrauten Ufern. Viele der besonders Akkustikgitarren-lastigen Tracks (zb. „Home Arni“) entführen den Spieler auf eine einsame Insel, fernab von der Hektik der Großstadt, während andere Tracks (zb. „Viper Manor“) ein Gefühl von Heimlichkeit und Anspannung erzeugen. Viele Tracks erinnern an indische, ost-asiatische und mesoamerikanische Musik, erweitert um eine leicht rockige Komponente. Auch sind viele Stücke Variationen von bereits bekannten Tracks oder bauen aufeinander auf, so dass es dem Spieler leicht fällt innerhalb dieser Welt zu verbleiben und auch die musikalischen Zusammenhänge zwischen den Situationen im Spiel zu sehen. Leider hören sich manche Tracks doch ein wenig zu „ähnlich“ an und unterscheiden sich manchmal nur durch die Wahl des Hauptinstruments. Das kann in manchen Situationen zu einer gewissen Monotonie führen, was in Anbetracht der großen Anzahl von Stücken doch recht schade ist.
Auch gibt es einige schwarze Schafe in diesem, sonst sehr guten, Soundtrack. Dazu zählt ohne Zweifel der Track „Gale“, der mit sich ständig wiederholenden, hohen Tönen schnell zu einem nervtötenden Ärgernis wird.
Trotz des hohen Synthesizer-Einsatzes, ist dieser Soundtrack einer der realistischsten in der PSone-Ära. Die Qualität ist so gut, dass dieser Soundtrack auch gut allein stehen könnte, ohne ein dazugehöriges Spiel.
Auch wenn er nicht perfekt ist, so übertrifft er doch vieles was es zu dieser Zeit gab und steht neben den Final Fantasy-Soundtracks dieser Zeit, als ein Meilenstein der Videospielmusik.
Abschluss
Da ich den Vorgänger bereits seit Jahren als einen meiner absoluten Favoriten schätze, waren meine Erwartungen an den Nachfolger natürlich sehr hoch. Es ist ähnlich wie bei Final Fantasy XII…
Als Teil der Reihe mag es nicht besonders gut sein, aber als eigenständiges Spiel oder Innovation der Reihe ist es eines der besten Spiele die ich jemals spielen durfte.
Das Kampfsystem ist eines der mit Abstand am besten ausbalancierten Systeme, die ich jemals verwenden durfte, die Musik ist einfach nur großartig und die Geschichte und ihre Figuren sind fesselnd und spannend.
Wer allerdings auf eher simpler gestrickte, rundenbasierte Kampfsysteme steht, ist mit anderen Spielen besser beraten, denn es dauert eine Weile bis man sich an diese gewöhnt hat.
Doch wer sich traut, wird mit einer echten Gamingperle belohnt und ich kann jedem RPG-Fan ans Herz legen diese auszuprobieren.