Decadus‘ Geschichte — Alles ihr zuliebe

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„Könntest du je für mich sterben?“

 

Dies sind die ersten Worte gewesen, die Lady Four an mich richtete. Auch jetzt noch kann ich mich klar daran erinnern. Doch was für eine Miene zeigte sich in diesem Moment in Lady Fours Gesicht? Da lag ein gewisser Ausdruck in ihren Augen, als sie aufrecht zu mir aufsah.

Bevor jene Worte aus ihrem Mund gekommen sind, schien es, als erblickte sie etwas Merkwürdiges und starrte eine lange Zeit in mein Gesicht. Wahrscheinlich verwirrte Lady Four die Existenz eines „Apostels“.

Selbstverständlich war mir als ein Apostel bewusst, was ich zu tun hatte. Ein Apostel ist der untergebene Diener seiner ehrwürdigen Utahime, ohne auch nur einen Augenblick von ihrer Seite zu weichen. Er beschützt sie und wenn sie es wünscht, erduldet er Kummer und Sorgen oder geht sogar durchs Feuer! … …Durchs Feuer. Feuer… ….Hitze… …Uuugnh.

Ah, nein. Nun ja, so in der Art verstand ich es zumindest, aber ich konnte nicht schlussfolgern, ob es für Lady Four in Ordnung war, dass ich ihr diente und ihre Wünsche erfüllte. Schließlich ist es unsere erste Begegnung gewesen.

Ich dachte so darüber nach, dass ich Lady Four eine Antwort schuldig blieb. Jedoch bestrafte sie mich nicht, obwohl ich nicht sogleich antwortete, sondern schien sich selbst die Schuld zu geben und führte weiter aus:

„Ah, Verzeihung. Es war wohl unglücklich, wie ich mich ausgedrückt habe. Könntest du je für eine Utahime sterben, die diese Welt beschützt? Dieser Welt zuliebe. Ich meinte nicht für mich als Einzelperson.“

Diesmal antwortete ich sofort.

„Natürlich. Wenn ich Euch somit dienen kann, ist es meine Absicht, jegliche Aufgaben oder Folterqualen zu erdulden. Folterqualen… …Qualen… …Uuugnh.“

„Decadus? Geht es dir nicht gut?“

„Doch, doch. Es geht mir gut.“

Lady Four zeigt auf diese Weise den kleinsten Anflug von Sorge um Personen, die ihr nahe stehen.

„Was ich alleine nicht schaffe, können wir sicher zu zweit erreichen. Ich glaube, daher existiert ein Apostel für seine Utahime.“

Außerdem ist sie unglaublich intelligent und vornehm. Es macht mich sehr stolz, einer derart hervorragenden, edlen Frau zu dienen.

„Ah, aber verstehe mich nicht falsch, okay? Wenn ich ‚zu zweit‘ sage, meine ich es nicht auf merkwürdige Art und Weise! Obwohl es scheinbar bemitleidenswerte Leute gibt, die nur etwas Vulgäres hinein interpretieren, wenn es heißt, etwas zu zweit zu tun. Meine kleine Schwester wäre dafür das beste Beispiel. Oh, ich meine das nicht so… …“

„Natürlich werde ich Euch auch in diesem Bereich mit vollem Einsatz dienen!“

Ja. Der Utahime als Partner bei Nacht zu dienen, gehört ebenfalls zu den Pflichten der Apostel. Aber ist es wirklich in Ordnung, dass jemand wie ich der Liebhaber von Lady Four sein darf? Im Vergleich zu ihr bin ich so unbedeutend wie Abfall oder wie ein Stein in ihrem Weg… einer, auf den man trampelt oder den man tritt… …Treten… …Treten… …Uuugnh. Ich halte es nicht aus!

„I-ich habe doch gesagt, dass ich es nicht so meinte! Bist du b-blöd oder so!? Ich bin anders! Wir sind zwar Schwestern, aber steck mich nicht in die gleiche Kategorie wie dieses dämliche, vulgäre Kind, das nur auf seine Brüste fixiert ist! Ich bin vollkommen anders als diese Göre, die scheinbar nur mit ihrem Unterleibt denkt! G-genau! Wichtig ist das Herz, nicht der Körper! Kapiert!?“

„Ja! Verzeiht mir!“

Ich warf mich zu Lady Fours Füßen und flehte ergebenst um Verzeihung. Ich hatte sie erzürnt, da war es selbstverständlich.

„Es war überaus unhöflich! Dafür gibt es keine Worte, dies zu entschuldigen. Ich werde jegliche Strafe widerstandslos entgegen nehmen. Ja, was für eine Strafe es auch sein möge! Ob Tritte oder Peitschenschläge!“

Tritte… …Peitschenschläge… …Peitsche… …Uuuuuugnh.

„Los, Lady Four, macht schnell! Bestraft Euren Decadus!“

„Mo-moment mal! Heb deinen Kopf vom Boden. Eine Strafe wäre doch sehr übertrieben.“

„Nein! Nein! Ich bestehe darauf! Euch erzürnt zu haben… Ich bin als Apostel ein Fehlschlag! Nur zu, bestraft mich!“

„Ich sagte, es ist in Ordnung! Ich werde dich nicht bestrafen!“

„…Nicht!?“

Keine Tritte oder Peitschenschläge!? Mich dort so warten zu lassen, war grausam! Hm? Warten lassen? Ooh! Das ist es! Lady Four, so sieht die Sache aus, nicht wahr? Warten lassen! Das war bereits… …eine Art… …eine Art… …Spiel!

„Ich sagte doch schon, es ist in Ordnung. Hey? Hörst du mir zu?“

Aah, Lady Four. Obwohl dies unsere erste Begegnung war, fühlte es sich an, als kannten wir uns bereits seit langer Zeit. Gebt mir, was ich am meisten begehre! Ich kann nicht sagen, wie glücklich ich bin, einer so wundervollen, edlen Frau dienen zu können, wie Ihr es seid.

 

„Könntest du je für mich sterben?“

 

Das zweite Mal, dass Lady Four mir diese Frage stellte, war kurz nachdem sie die Kontrolle über das Land der Berge übernommen hatte. Zu diesem Zeitpunkt waren wir unterwegs, um Monster auszurotten.

Auch nachdem wir den korrupten Landesherren entthront haben, sind die Berglande voll mit verschiedenen Arten brutaler und abscheulicher Kreaturen. Die vielen Versteckmöglichkeiten, die das Bergterrain bereithält, machen es zum perfekten Einnistungsgebiet. Selbstverständlich zögerte Lady Four nicht hinauszuziehen, um diese Biester eigenständig zu bezwingen, zur Beruhigung der Bevölkerung. Allerdings protestierten die ihr dienenden Soldaten vehement. Auch wenn die Chance nur eins zu 10.000 war, konnten sie den Gedanken, ihrer wertvollen Utahime könne etwas passieren, nicht ertragen.

„Danke, dass ihr euch um mich sorgt. Doch es ist in Ordnung. Ich habe die Kraft des Gesangs und meinen Apostel, der mich beschützt.“

Lady Four lächelte die Soldaten an, bevor sie sich mir zuwandte. Das war der Moment, in dem sie ihre Frage wiederholte.

„Könntest du je für mich sterben?“

Ich verstand, dass sie es fragte, um die Soldaten zu beruhigen, deren Bedenken in ihre Gesichter geschrieben standen. Genau, wie man es von Lady Four erwarten würde. Daher antwortete ich ohne zu zögern:

„Natürlich! Ich werde Euch mit all meiner Macht beschützen. Ganz egal, welch schreckliche Biester uns auch attackieren, ich werde meinen eigenen Körper als einen Schild nutzen, um Euch als Wall zu dienen… …einen Schild, der geschlagen wird… …und mit einem Schwert durchstochen… …Uuugnh.“

„Decadus?“

Für einen Moment dachte ich, Lady Four würde besorgt die Stirn runzeln, aber das lag wahrscheinlich nur an meiner schlechten Wortwahl. Da ich das Gefühl besaß, die Soldaten noch nicht genügend beruhigt zu haben, fuhr ich fort:

„Um Euch zu beschützen, würde ich zu Eurem Schild, Eurem Armschutz, zu Euren Schuhen, ja sogar zu Euren Schuhsohlen unter den Füßen werden, wenn Ihr es wünscht, Lady Four!“

„Weil eine Schuhsohle auch so viel nutzen würde…“

Anscheinend wünschte sie sich nicht, dass ich diesen Zustand annähme.

Auf den Bergwegen erschienen die Monster eins nach dem anderen. Es war ein extrem gefährlicher Ort und auch der Weg bis dahin war nicht einfach gewesen. Den ganzen Weg über hatten wir uns vor fallenden Steinen und unsicheren Klippen fürchten müssen. Der vorige Herrscher hatte wohl nichts davon gehalten, für die Sicherheit der Menschen zu sorgen oder ihnen das Leben zu erleichtern.

„Ich sollte die Soldaten besser anweisen, die Wege in diesem Gebiet instand zu setzen. Momentan wäre es älteren Menschen oder jungen Kindern nicht möglich, sie zu begehen. Und um sicherzustellen, dass keine Monster auftauchen, werde ich Soldaten regelmäßig patrouillieren lassen. Oh, aber vielleicht werde ich den Weg zum Schrein monsterverseucht lassen, damit keine unerwünschten Personen eindringen können.“

Neben der Monsterausrottung nutzte Lady Four die Gelegenheit, um das Gebiet und dessen Wege auszukundschaften, um an neuen Plänen zu feilen. Egal zu welcher Zeit und in welcher Situation, sie war immer voller Sorge um die Menschen. Als wäre sie dazu geboren, sie anzuführen.

„Was ich auch tue…“

Lady Four hielt an und seufzte.

„Es macht mich sprachlos, was der vorige Landesherrscher hier hinterlassen hat, und dennoch Anerkennung erhielt. Eine komplette Vernachlässigung der Dinge.“

„Vernachlässigung… …“

„Was? Decadus, was ist los?“

„… …Ein Spiel. Uuugnh.“

„Hä?“

„N-nein. Es ist nichts…“

Obwohl mich Lady Four argwöhnisch ansah, schwieg sie. Nein, es war nicht der richtige Zeitpunkt, in Anbetracht der Tatsache, dass von den Seiten her erneut Monster angriffen. Wir nahmen unsere Kampfstellungen ein.

Wie ich es den Soldaten geschworen hatte, stellte ich einen Wall zwischen den Biestern und Lady Four dar. Natürlich diente ich auch als ihre Waffe, um die Monster auszumerzen.

Jedoch bin ich nicht sehr bewandert im Umgang mit dem Schwert. Stattdessen nutze ich lieber Schläge und Tritte, sie sind meine Stärke bei handgreiflichen Auseinandersetzungen. Im Gegensatz zu Schwertern oder Speeren kann man mit dem eigenen Körper viel besser einschätzen, wie sehr man seinem Gegner schadet. Und ebenfalls, wie viel Schaden man selbst einstecket. Mit jedem Fausthieb wird die Wucht des Aufschlags von meiner Faust sofort zu meinem Scheitel geleitet… …Je stärker der Gegner, desto intensiver der Schmerz, der durch meine Hände und Beine fährt… … Beispielsweise, wenn ich einen Golem mit hartem, steinigem Körper bekämpfe… …Der Schmerz, der durch meine Fäuste zöge, wäre… …dieser Schmerz wäre… …Uuaagnh! Alleine die Vorstellung… …Ich… …ich kann kaum… …!

„Du wirkst irgendwie glücklich, Decadus.“

„Meinen Körper zu nutzen, um Euch zu beschützen, ist mir das höchste Vergnügen, Lady Four! Um Euch zu schützen, ließe ich meinen Körper sogar in acht Teile zerschneiden… …in acht Teile… …Uuugnh. Ich halte es nicht aus!“

„So? Das denkst du also, wenn du den Schmerz in deinen Fäusten spürst?“

„W-wie habt Ihr… …!?“

„Wenn du nicht willst, dass ich deine Monologe höre, solltest du sie nicht laut aussprechen, klar?“

Etwas in Lady Fours Stimmlage klang ziemlich kalt.

Seitdem wir von dieser Mission zur Monsterausrottung zurückgekehrt sind, habe ich das Gefühl, dass Lady Four weniger mit mir spricht. Zudem sind ihre Augen strenger geworden, kälter.

Nicht, dass ich damit unglücklich gewesen bin. Eher ganz im Gegenteil! Oh, ihre eiskalten Augen, die mich wie eine Klinge aufzuspießen schien. Aufspießen… …Aufspießen… …Uuugnh! Ich halte es nicht aus. Lady Four schafft es, mich zu foltern, ohne mich auch nur mit einem Finger zu berühren… …Welch… ….welch ein… …Spiel!

Ah, nein. Abgesehen davon scheint es, als wolle Lady Four mir nicht in die Augen sehen. Vielleicht ist es nur Einbildung?

Nein, das glaube ich nicht. ‚Wichtig ist das Herz‘, sagte Lady Four, als wir uns zum ersten Mal trafen.

Kurz gesagt: Auch wenn wir keine Worte miteinander austauschen und unsere Blicke sich nicht treffen, was Lady Four sich wünscht, ist ein Apostel, der mit seinem Herzen in ihr Herz blicken kann. Dazu nicht in der Lage zu sein, würde mich unfähig machen, ihr als Apostel zu dienen.

Selbst wenn ich an ihrer Seite bin, benimmt Lady Four sich, als wäre sie allein. Eine natürliche Sache, denn ein Apostel ist wie der Schatten seiner Utahime.

Ein Schatten, den man auf dem Boden kriechen lässt, auf den man stampft… …Uuuuugnh. Schattenboxen… …ein Spiel. Ah, Lady Four, wie scheint Ihr meine Wünsche nur so sehr zu verstehen?

Was für eine Glückseligkeit, ihr, einer makellosen Herrin, zu dienen. Meine Freude ist so groß, dass sie mir manchmal Angst macht.

 

„Könntest du je für mich sterben?“

 

Das dritte Mal, dass sie mir diese Frage stellte, ist gerade erst vorhin gewesen. Es war eine Zeit her, dass sie direkt mit mir gesprochen hatte. Auch wenn ich es nicht sage, mein Leben gehört ihr. Mein ganzes Dasein existiert nur ihr zuliebe.

„Natürlich! Für Euer Wohl, Lady Four, würde ich Folterqualen ertragen, die schlimmer sind als der Tod! Schlimmer als der Tod… …der Tod… …Uuugnh!

„…Verstehe.“, antwortete Lady Four kurz angebunden und wandte mir anschließend den Rücken zu.

Es war mir, als flüsterte sie „Dann stirb doch“, aber ihre Stimmlage war so viel tiefer als üblich, vielleicht habe ich es mir nur eingebildet.

Oder es war das Knarren ihrer Schlafzimmertür, das ich hörte. Schließlich ist es eine sehr alte Tür. Morgen, wenn Lady Four aufgewacht ist, werde ich Zeit haben, die Scharniere zu ölen.

Nachdem sich die Tür unter lautem Geräusch geschlossen hatte, verneigte ich mich in ihre Richtung.

„Gute Nacht, meine Lady. Träumt schön… …“

Dann setzte ich mich zu ihrem Schutz vor die Tür, meine Stammposition in jeder Nacht.

Obwohl sie alt ist und schwerfällig auf und zu geht, ist die Schalldämmung ziemlich problematisch. Nun, ehrlich gesagt… …dringen gewisse Geräusche aus dem Zimmer. Vor allem in der Nacht, wenn es in der Umgebung totenstill ist.

Sitze ich direkt vor der schmalen Tür, kann ich Reibgeräusche und ihren Atem aus dem Zimmer kommen hören. Wenn sie so süß im Schlaf nach ihrer großen Schwester ruft, überkommt mich irgendwie ein schlechtes Gewissen.

Es gibt Soldaten, die solch ungehobeltes Zeug behaupten wie ‚Kein Zweifel, das ist eine Einladung! Sie bietet sich dir an!‘, doch das ist absolut falsch! Es stimmt nicht!

Mich vor der schmalen Tür sitzen zu lassen, die man an sich leicht auftreten oder aufbrechen könnte, und das auch noch unverschlossen, ist sicherlich keine Einladung. Sie könnte mich jederzeit mit ins Zimmer nehmen, doch ich sitze draußen. Sie lässt mich direkt auf dem kalten, harten Boden sitzen… und während meine Beine immer tauber werden und ich das Gefühl in ihnen verliere… …kann ich zeitweise ihre keuchende Stimme und das Rascheln ihrer Kleidung vernehmen.

Aah, welch… …welch… …Quälerei! Welch perfekte Folter! Welch meisterhaftes… …Spiel!

Unmittelbar nachdem ich begonnen habe, Lady Four zu dienen, habe ich mir oft vorgestellt, unter ihren festen Schuhsohlen zerquetscht oder von ihren langen, scharfen Nägeln aufgerissen zu werden. Diese und andere Fantasien dienten mir zur Selbstbefriedigung, aber wenn ich jetzt darüber nachdenke, sind sie oberflächlich gewesen.

Schuhsohlen? Fingernägel? Nein, ich benötige dies nicht. Zwischen Lady Four und mir ist kein physischer Kontakt nötig. Selbst ohne Utensilien verschafft sie mir Schmerzen… …sie verschafft mir Freude. Genau, das meinte sie mit ‚Was ich alleine nicht schaffe, können wir sicher zu zweit erreichen‘! Wir sind verbunden, Herz-an-Herz!

Ohne dass ich sie, oder sie mich, ohne dass wir uns je berühren. Nein, genau weil wir uns nicht berühren, hören die Gedanken an jene Seelenqualen niemals auf! Außerhalb ihres Zimmers brennt die körperliche Begierde in mir, die immer weiter wächst. Ich fühle mich gequält, irritiert und vernachlässigt… …Die ganze Nacht hindurch. Wenn die Zeit doch nur in diesem Moment anhielte, es würde ewig andauern… …Haaaaa! Alleine die Vorstellung… …Ich kann kaum, kaum… …Haaaaa!

Aah, welch… …welch ein… …Spiel! Aber ist es letztendlich überhaupt ein Spiel? Nein, nein! Es ist eine Belohnung! An diesem nichts bringenden Ort, ganz alleine… …genau das ist meine Belohnung!

Aah! Kann es eine noch höhere Glückseligkeit geben!?