ShinRas Geschichte: Kapitel 3

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Es war dunkel. Wind und Regen peitschten Rude ins Gesicht. Sie standen am Hintereingang des ShinRa-Gebäudes. Trümmer lagen hier aufgetürmt, sie waren wohl von den oberen Stockwerken herabgestürzt. Jemand hatte ein Spotlight aufgestellt, um die zahlreichen Rettungstrupps bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Über ihnen kreiste ein Hubschrauber, dessen Suchscheinwerfer sich in den zahllosen Glasscherben widerspiegelte. Rude nahm die Szenerie in sich auf, indes ohne sich von der allgemeinen Panik anstecken zu lassen. Daß Rufus noch lebte, gab ihm neue Kraft. Denn Rufus war die Firma, und, zum Guten oder Schlechten, mit ihm würde der ShinRa-Konzern weiterleben. Das hieß auch, daß die Turks weiterexistieren würden. Rude mochte sich nicht einmal vorstellen, kein Turk zu sein.

Der Hubschrauber setzte zur Landung an. Der Wind, den die Maschine aufwirbelte, ließ einen faustgroßen Holzsplitter gegen Rudes Stirn knallen. Trotzdem feixte er. Rude liebte den wilden Nervenkitzel, den die Arbeit für Rufus ihm bereitete.

Vorsichtig bewegte er sich zum  Haupteingang. Hier waren Menschen. Einige versuchten sich aus den Trümmern zu befreien, als Rude durch Zuruf ermitteln wollte, wie viele noch am Leben seien. Ängstlich betrachteten sie den gewaltigen Mann mit dem kahlrasierten Schädel und der schwarzen Sonnenbrille. Rude war es gewohnt, einschüchternd zu wirken, er genoß diese Reaktion der anderen.

Mitglieder des Rettungsteams, Angestellte eines ShinRa-Krankenhauses, hetzten durch die Reihen der Verwundeten. Rude packte sich einen von ihnen und erklärte, er brauche Hilfe. Da er nicht wußte, wie der Mann auf Rufus’ Namen reagieren würde, verschwieg er ihn.

„Gehört er ShinRa an?“

„Ja.“

„Dann hat er Priorität.“

„Ich verlasse mich auf Sie.“

Der Mann nickte, trommelte einige Kollegen zusammen und mit einer Trage ausgerüsteten machten sie sich auf den Weg zum Hintereingang. Rude folgte ihnen versonnen. Da bemerkte er eine junge Frau, die in ein Funkgerät sprach.

Sie war eine von Clouds Freunden, Tifa war ihr Name. Sie gehörte zu ShinRas Feinden, dennoch sah er momentan keinen Grund, gegen sie zu kämpfen. Die Turks kämpften nur, wenn es ihnen befohlen wurde, oder wenn sich ihnen jemand in den Weg stellte.

Rude ging also in Deckung und beobachtete, wie Tifa hektisch abzog.

*** *** ***

Das Rettungsteam schnallte Rufus auf der Trage fest. Rude wollte wissen, wohin sie ihn bringen würden.

„Wir liefern ihn zunächst beim Krankenhaus ab, wissen aber nicht, ob er dort bleiben kann.“

„Ihr wißt das nicht? Was soll das heißen?“

„Meteor ist unterwegs. Was können wir schon groß für ihn tun, wenn Meteor alles zerstört?”

„Wie wahr. Na los, hier entlang.“

Rude führte die Leute durch den Lobbybereich, hin zu einer kleine Tür.

„Hier ist alles total im Eimer. Der Glatzkopf hätte uns diese Abkürzung ruhig früher zeigen können.“

„Dieser Weg steht nur Führungskräften offen. Erzählen Sie niemandem davon!“

„… Jawohl, Sir.“

Die Antwort hatte Rude hören wollen. Nun führte er die Sanitäter weiter bis sie den Haupteingang erreichten. Gerade wollte er durch die Tür ins Freie treten, da erblickte er eine vertraute Person. Yuffie. Er hielt an.

„Kann ich euch den Rest überlassen? Ich hab’ noch was zu erledigen”, sagte er zu den Sanitätern.

„Selbstverständlich. Bei uns ist er in guten Händen. Übrigens, wie heißt der Patient?“

„Das wird er Ihnen schon verraten, wenn er wieder wach ist. Sorgen Sie nur dafür, daß er gut untergebracht wird.“

„Könnte er… Rufus ShinRa persönlich sein?“, murmelte einer der Träger.

„Shh!“

Nicht lange nach seiner Rettung erlebte Rufus einen wunderbaren Moment in Kalm, einer Kleinstadt bei Midgar. Von diesem Ereignis sprach er fortan nur noch als dem „Schicksalstag“ oder auch schlicht „diesem Tag“.

Da die Turks nicht für Rufus’ Sicherheit garantieren konnten, solange er sich in dem Krankenhaus befand, waren sie bald mit ihm nach Kalm aufgebrochen, wo der ShinRa-Konzern ein kleines Haus besaß. Da sie einen Hubschrauber hatten, hätten sie auch weiterweg gehen können, doch Rufus wollte nach Kalm. Wäre es nach ihm gegangen, wären sie ohnehin in Midgar geblieben, denn nun, am Ende der Welt, wollte Rufus gewiß nicht mehr fliehen. Aber es schien ihm besser, den Rat seiner Beschützer zu befolgen.

Meteor war so nahe, daß man scheinbar nur seine Hand ausstrecken brauchte, um ihn zu berühren. Unter seinem unwirklichen Einfluß gingen die Turks auf Streife. Ihnen war klar, daß der Einschlag unmittelbar bevorstand und sie nichts unternehmen konnten, doch zumindest wollten sie ihren Dienst bis zum unausweichlichen Ende leisten, also Rufus‘ Unversehrtheit sicherstellen.

„Es hat keinen Zweck, sich Gedanken über die Zeit nach dem Einschlag zu machen. Wir machen einfach weiter und hoffen, daß der Planet diese Krise überstehen wird“, wandte sich Tseng an seine Mitarbeiter. Dann gab er ihnen Anweisungen, die Rettungsarbeiten im Stadtgebiet weiterhin zu unterstützen. Nun, da Meteor vor der Haustür stand, waren seine Verheerungen offenkundig: Orkanböen und Erdbeben suchten Midgar heim, brachten ganze Häuserfronten zum Einstürzen. Midgar, die stählerne Stadt, stieß ihre Todesschreie aus.

„Typisch für den Chef, daß seine letzten Anweisungen dem Wohl der anderen Leute gelten“, murmelte Rude.

„Was meinst du?“

„Wiedergutmachung.“

„Verstehe.“

Kurz darauf wähnte Reno sich in einem Traum: Veld, der frühere Kopf der Turks, und weitere alte Kollegen versammelten sich in Midgar, um bei der Evakuierung der Zivilbevölkerung zu helfen. Er hatte nich damit gerechnet, diese Menschen jemals wiederzusehen.

Es hatte einmal eine Zeit gegeben, als ShinRa sehr unzufrieden mit den Turks gewesen war. Tatsächlich hatten sie gegen die Ziele der Firma verstoßen und an einem der großen Geheimnisse des Konzerns gerührt. Damals hatte man die Auflösung des Turk-Verbandes gefordert und die Ermordung aller Beteiligten. Nur die Fürsprache des damaligen Vize-Präsidenten, Rufus, hatte sie vor diesem Schicksal bewahrt. Rufus war ihr Schirmherr, dem sie alles verdankten. Rude fühlte eine tiefe Zufriedenheit: Indem er nun geholfen hatte, Rufus zu retten, hatte er eine Schuld beglichen. Seine Kollegen am Leben zu sehen, gab ihm das Gefühl, von aller Reue für frühere Fehler befreit zu sein.

*** *** ***

Der Meteor wurde zerschmettert, als er am Himmel über Midgar stand. Der Planet entging seiner Vernichtung. Es war der Macht des Lebensstromes zu verdanken, daß der Planet gerettet werden konnte. Die Ultimative Weiße Magie – HEILIG – gewann so die Schlacht gegen den gleichstarken, Ultimativen Destruktiven Zauber METEOR. Die Menschen, die dies beobachteten, glaubten fortan, der Planet habe im letzten Moment seine Selbstrettungskräfte aktiviert. Daß es dem Einsatz Clouds und seiner Freunde zu verdanken war, daß sie gerettet wurden, ahnten sie nicht.

In der Schicksalsminute, in der Heilig und Meteor miteinander rangen, eilten Reno und Rude zurück zum ShinRa-Gebäude, das sich unmittelbar unter dem Meteor befand.

„Scheiße, warum muß das ausgerechnet jetzt passieren?“

Das Gebäude wurde erschüttert, als der Lebensstrom aus dem Boden barst. Sich seinen Weg bahnend, sprengte er die Fenster der Eingangshalle. Das grüne Licht strömte ins Innere, unaufhaltsam wie ein Monster bahnte es sich seinen Weg.

„Das ist alles meine Schuld“, sagte Rude über die Wand hinweg, die seine Toilettenbox von der Renos trennte.

„Was?”

„Hätte ich nicht vorgeschlagen, hierher zu kommen, um die Werkzeugbox zu bergen“, begann Rude.

„Vergiß es Mann, wir haben jetzt andere Probleme.“

Rude schwieg, da sein Partner hörbar genervt war.

„Rude?“ Reno hielt die Stille nicht aus: „Also, was ist los?“

„Wir arbeiten schon sehr lange zusammen.“

„Klar.“

„Partner, oder?“

„Mehr als das, die besten Partner!”

Mit diesen Worten verließ Reno, nun wieder ganz der Alte, das Klosett und trat lässig die Tür zu Rudes Kabine auf. Rude stoppte die Tür mit seinen Händen und schwang sie zurück auf Reno.

„Laß den Scheiß!“

„Eine letzte Aufmerksamkeit für meinen besten Partner.“

„Eine Tür?“

„Eine Herausforderung. Die hast du doch so gerne.“

„Nicht gerne genug“, antwortete Rude, während er die Kabine verließ.

„Laß mal einen Blick nach draußen riskieren. Ist sicher irre aufregend.“

Sie liefen so schnell sie konnten zum Haupteingang. Der Wind war noch stärker geworden und wirbelte rund um den aufgewühlten Lebensstrom. Grelle Lichtblitze peitschten durch die Dunkelheit vor ihren Augen.

„Woah! Das ist der Lebensstrom, oder?”

„Reno…“

„Was?“

„Das ist gigantisch.“

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