Kaballah

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Dieser Beitrag wurde von FFO begonnen, und von Leviathan vervollständigt.

Einleitung

Kaballah (קבלה), auch Kabbala, ist hebräisch und bedeutet soviel wie „Überlieferung“. Der Begriff bezeichnet generell eine jüdische Geheimlehre und Mystik, die vor allem zwischen dem 12. und 17. Jahrhundert verbreitet war. Häufig wird die Kaballah auch mit jüdischer Mystik im Allgemein gleichgesetzt. Die Lehren der Kaballah sind eine Ansammlung von esoterischen Praktiken und esoterischem Wissen. Sie werden in ihrer Gesamtheit manchmal auch als „Yoga des Westens“ bezeichnet.

Okkultismus und Pop-Kaballah

Heutzutage ist die Kaballah wohl vor allem durch Prominente wie Madonna, die in diesen Lehren ihre spirituelle Erfüllung suchen, einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Allerdings hat diese „Pop-Kaballah“ oft nur noch sehr wenig mit der ursprünglichen mystischen Lehre gemein. Daneben spielt die Kaballah auch in vielen okkultistischen Schriften und Kulten des 20. Jahrhunderts eine herausragende Rolle. Beispielhaft sei hier Aleister Crowley genannt.

Im folgenden erläutere ich kurz die ursprünliche Kaballah, bevor ich zu den für Final Fantasy VII interessanten Konzepten komme.

Jüdische Kaballah

Die kaballistische Tradition hat ihre Grundlagen in der Tora, der Heiligen Schrift des Judentums, beruht aber vor allem auf dem Standardwerk „Sefer ha-Zohar“,  zu deutsch dem „Buch der Pracht“.  Ein weiteres wichtiges Buch ist zudem das „Sefer Jetzira“ – das „Buch der Schöpfung“.

Es handelt sich eigentlich um eine Geheimlehre, die der Überlieferung folgend, Moses auf dem Berg Sinai offenbart, und nur ausgewählten Gelehrten anvertraut wurde. Tatsächlich liegen die Ursprünge der Kaballah aber im ersten Jahrhundert nach Christus, ihre heutige geläufige Form enstand sogar erst seit dem frühen Mittelalter in den jüdischen Gemeinden Spaniens und des übrigen Europas.

Das Studium der Kaballah ist eine komplexe Wissenschaft für sich, und ich kann nur ein paar grobe Zusammenhänge nacherzählen, die ich selbst gelesen habe:

Eine Bezeichnung für Kaballisten ist „Kenner der geheimen Weisheit“. Ihnen wurde die Fähigkeit nachgesagt, einen verborgenen Sinn in den Büchern Mose entdecken zu können. Die Kaballisten selbst waren überzeugt, dass Mose geheime Botschaften in seinen Schriften versteckt hatte, die durch bestimmte Techniken zu entschlüsseln seien. Diese Techniken sind eng verbunden mit Zahlenmystik. Da im hebräischen Alphabet jeder Buchstabe zugleich einen Zahlwert repräsentiert, lassen sich aus Namen und Sätzen Ziffernfolgen bilden, die wiederum neue Wörter ergeben. Diese Wörter sollen angeblich die Geheimbotschaften transportieren.

Es gibt mehrere Techniken, mit denen sich dies bewerkstelligen lässt. Mit der Gematrie lassen sich Quersummen von Namen bilden. Man ging davon aus, dass Namen mit gleicher Quersumme in einem inneren Zusammenhang stehen. Durch die Notarikon wurden aus den Anfangsbuchstaben der Wörter eines Satzes neue Wörter gebildet, denen man besondere magische Macht nachsagte. Mit der Temurah schließlich lassen sich Anagramme von Wörtern bilden.

Im weiteren geht es um die Entschlüsselung der Schöpfung, die Erkenntnis der der Schöpfung zugrunde liegenden Gesetze, und den Versuch, das Wesen Gottes zu entschlüsseln. Kaballisten gehen davon aus, dass sich Gott in Manifestationen offenbart. Die Lehre der Kaballah soll es ermöglichen, durch Studium dieser Manifestationen Stufe um Stufe das Wesen Gottes zu offenbaren – wobei gleichzeitig davon ausgegangen wird, dass der „göttliche Urgrund“ letztlich unerkennbar ist.

Christliche Kaballah

Mit der Vertreibung der Juden aus Spanien im 15. Jahrhundert gelangte die kabbalistische Lehre in andere europäische Länder, wo sie von christlichen Gelehrten rezipiert wurde. Es folgten Übersetzungen der hebräischen Texte, und bald auch eigene Werke, unter anderem von Giovanni Pico della Mirandola in Italien und Johannes Reuchlin in Deutschland. Das Menschen- und Weltbild der Kaballah hatte auch großen Einfluss auf den Humanismus in Europa.

Für Final Fantasy VII ist aus kaballistischen Lehre hauptsächlich das Konzept des Otz Chiim, des „Baum des Lebens“ interessant. Ihm sind die Namen von Sephiroth und Tifa entlehnt. Insbesondere diese Vorstellung eines Weltenbaumes, der den Kosmos symbolisiert, ist für die christliche Kaballah von großer Wichtigkeit. Dabei wurden die jüdischen Konzepte im christlichen Sinne umgedeutet.

Der Baum des Lebens

Die zehn Manifestationen

Laut Kaballah offenbart sich Gott durch verschiedene Manifestationen in der ganzen Welt. Diese Manifestationen werden in ihrer Gesamtheit Sephirot genannt, wobei Sephirot der Plural von sefer (Ziffer) ist. Genauer gesagt bezeichnet das Wort die Zahlen von Eins bis Zehn. Dieser Sephirot lässt sich graphisch als eine Art Baum, eben jener bereits erwähnte „Baum des Lebens“ (es gibt diverse Bezeichnungen dafür), darstellen. Der Sephirot-Baum ist eines, wenn sich sogar das wichtigste Konzept der der kaballistischen Lehre.

Ihm ist offensichtlich der Name von Sephiroth entlehnt. Was aber hat es mit dem Sephirot auf sich?

Nun, der Sephirot besteht aus 10 Zweigen, die durch 22 Pfade miteinander verbunden sind. Die 10 Zweige symbolisieren göttliche Eigenschaften. Diese sind:

  1. Kether (Krone der Gottheit)
  2. Chochmah (Weisheit oder Uridee Gottes)
  3. Binah (Einsicht)
  4. Chessed (Gnade)
  5. Geburah (Stärke, die strafende Macht)
  6. Tifereth (Schönheit der Liebe)
  7. Nezach (Sieg)
  8. Hod (Majestät)
  9. Jessod (Fundament)
  10. Malkuth (Königswürde, das Reich Gottes)

Sie lassen sich in drei Gruppen einteilen: Das Überbewusstsein (Kether), der Intellekt (Chochmah und Binah) sowie die Gefühlswelt (die übrigen Sefira). Manchmal wird auch eine andere Einteilung vorgenommen. Brittenham, der als erster auf die kaballistischen Anspielungen in Final Fantasy VII hingewiesen hat, etwa spricht von der Gedankenwelt, der Welt der Gefühle und der Moral sowie der Welt der Natur. (Allerdings scheint Brittenham manche Dinge durcheinander gebracht zu haben; zumindest laut meinen Quellen.)

Die elfte Manifestation und die Synthese

Manchmal ist von einem elften Zweig die Rede, genannt Daath, der Abgrund: Dieser symbolisiert die Abwesenheit der göttlichen Manifestation. Nicht damit zu verwechseln ist das Da’at, ein hypothetischer Zustand, an dem sich die zehn Zweige zu einem Ganzen vereinigen. Die Übersetzung von Da’at wäre in etwa „Wissen“ oder „Erkenntnis“. Da’at wird darum manchmal im Kontext von Final Fantasy VII mit dem Lebensstrom gleichgesetzt, da sich dort das Wissen der Menschen und der Cetra sammelt.

Der Tifereth

Von besonderem Interesse ist weiterhin der Sefira Tifereth, von dem der Name Tifas abgeleitet wurde. Es ist der sechste Sefira des Sephirot-Baumes, und steht für die Barmherzigkeit Gottes und die Schöhneit der Liebe. Dieser Sefira wird manchmal auch als Rakhamim (Gnade, Barmherzigkeit) oder Shalom (Frieden) bezeichnet. Tifereth nimmt – nicht nur in graphischen Darstellungen des Baumes – eine zentrale Rolle ein, da es mit allen anderen Manifestationen Gottes in Verbindung steht. Insbesondere ist es Mittler zwischen Gottes Gnade und Gottes Strafgericht und stellt den Ausgleich zwischen beidem her.

In der christlichen Kaballah wird der Tifereth gar mit Jesus Christus gleichgesetzt. Darüberhinaus schreibt man christlicherseits Tifereth Eigenschaften wie Selbstopferung, Dienst, Liebe, Schönheit, Heilung und Harmonie.

Offenbar passen viele dieser Begriffe auf die Tifa aus Final Fantasy VII: Sie liebt Cloud, und opfert sich auf, um ihn von seinem Leiden zu heilen, was ihr schließlich im Lebensstrom gelingt. Natürlich darf man den Vergleich nicht zu weit treiben: Ein solches Selbstopfer wie Aerith, die ihr Leben gibt, bringt Tifa nicht. Dennoch kann man festhalten, dass die Entwickler Tifas Namen nicht rein zufällig gewählt haben, sondern auf passende Bezüge zu ihrem Charakter geachtet haben.

Schlussbemerkungen

Über die kaballistischen Anspielungen in Final Fantasy VII ist viel geschrieben und gerätselt worden. Insbesondere die Idee, dass es neben der normalen, offensichtlichen und vermeintlich „falschen“ Geschichte des Spiels noch eine geheime, versteckte und „wahre“ Handlung existieren soll, dürfte darauf zurückgehen. Man muss aber sagen, dass es bislang niemandem gelungen ist, eine solche geheime Handlung plausibel nachzuweisen, auch wenn es der oben erwähnte Brittenham versucht hat.

Somit bleibt das Thema Kaballah eine interessante mythologische Quelle für das Spiel, aber vielmehr als ein paar entlehnte Namen und Ideen steckt nicht dahinter.