Nanakis Geschichte: Kapitel 2

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Nanaki änderte seine Reisepläne und beschloss, die „Midgar Krankheit“ zu erforschen, die Yuffie und die anderen erwähnten.
Der beste Ort um Informationen darüber zu bekommen war Midgar selbst. Je mehr Informationen er bekäme, desto verwirrter würde er wahrscheinlich werden. Jedoch waren sowohl Cloud, der immer tiefgründig über alles nachdachte, als auch die intelligente Tifa dort, also könnte er garantiert etwas lernen, wenn er etwas Zeit dort verbringen würde.

Während seines Weges nahe dem Nibel-Gebirge, betrat Nanaki einen Wald, den er noch nicht kannte und verirrte sich letztendlich darin. Seinem animalischen Instinkt vertrauend, setzte er seinen Weg erst einmal fort, jedoch schien der Wald größer zu sein, als er dachte. Dennoch machte er sich keine Sorgen und suchte weiter nach einem Ausweg. Es mochte ein großer Wald sein, aber durch Betrachten der Sonnenbewegung am Himmel konnte Nanaki ablesen, in welche Richtung er ging. Mit diesem von Menschen erlernten Wissen lief er weiter. Er sollte den östlichen Ausgang bald erreichen.

Ein Gewehrschuss fiel. Nanaki konnte im hallenden Wald nicht ausmachen, woher der Schuss kam, aber er rannte in die Richtung, aus der er den Schuss vermutete. Er fand einen zehn Jahre alten Jungen, der von einem Monster angegriffen wurde. Das Monster hatte die Form eines Bären mit einem langen Schwanz. Nein, vielleicht war es sogar ein Bär. Der Körper war von einer grauen, rostigen, metallenen Farbe umgeben und die Vorderbeine bluteten.

»Es muss angeschossen worden sein.«

Das verwundete Monster lief um den Jungen herum, welcher zurückgefallen und ängstlich da saß. Es schien, als würde es überlegen, was es mit dem Jungen machen soll. Kurz darauf wurden seine Augen flammend Rot und es näherte sich ihm wild und zornig. Nanaki sprang aus dem Gebüsch, in dem er sich versteckt hatte, packte den Jungen an seiner Kleidung und verließ mit ihm zusammen den Bereich. Nachdem der Junge in einem sicheren Dickicht untergebracht war, stellte Nanaki sich dem Bären. Als wenn es den Bären nicht interessierte, wer sein neuer Gegner war, rannte er unbefangen Richtung Nanaki. Die Klauen an seinen zwei Pfoten waren unter dem Fell sichtbar.

»Ich werde in Schwierigkeiten sein, wenn ich von denen getroffen werde«, dachte Nanaki.

»Nibel-Bären haben ihren Schwachpunkt am Hals! Los, Red!« sagte der Junge auf einmal.

Nanaki war verwirrt von dem Befehl aber es stimmte, dass der Schwachpunkt der meisten Tiere am Hals lag, also richtete er seine Angriffe gegen den Hals des Nibel-Bären. Es war lange her, dass Nanaki brüllte, um seinen Gegner einzuschüchtern. Der Nibel-Bär blieb wie angewurzelt stehen und versuchte nun das erste Mal, die Stärke seines Gegners abzuschätzen. Wütend starrten sie sich an.

»Was machst du da?! Los, Red!«

»Verlang nicht einfach was dir gerade so gefällt«, dachte Nanaki. »Menschen sollten still sein in Kämpfen, wo die Tiere anstatt Waffen nur ihren eigenen Körper haben. Der Wald ist ein Ort der Tiere.«

In dem Moment hörte er einen weiteren Gewehrschuss. Zur selben Zeit spritze Blut aus dem Hals des Nibel-Bären, wodurch sein massiger Körper zu Boden fiel. Sofort kam ein Mann aus dem Dickicht. Es sah so aus, als wäre er ein Jäger. Er sprang in Richtung des gefallenen Nibel-Bären und feuerte einen letzten Todesschuss. Der Nibel-Bär atmete nicht mehr.

Dann drehte sich der Jäger um und zielte mit seiner Waffe auf Nanaki. Es schien so, als würde er noch nicht vorhaben zu schießen.

»Papa, nicht schießen. Es hat mich gerettet! Das ist Schicksal. Gott hat ihn zu mir gesandt. Ich will Red mit zu mir nach Hause nehmen«, sagte der Junge, als er sich zwischen Nanaki und dem Jäger stellte.

»Red sagst du?«, erwiderte der Jäger.

»Ja. Er ist Rot, also Red.«

»Was für ein beschämender Name«, dachte Nanaki. Es erinnerte ihn an den verrückten Mann, der ihm einst denselben Namen gab. Er erhob die Stimme und brüllte, um seine Unzufriedenheit zu zeigen. Vater und Sohn wichen vorsichtig ein paar Schritte zurück.

»Du kannst reden, oder?« fragte der Jäger – die Waffe immer noch auf Nanaki gerichtet. »Vor langer Zeit setzte der Shinra-Konzern ein hohes Preisgeld auf deine Art aus. Eine große wolfsähnliche Kreatur. Rotes Fell und ein brennender Schwanz. Verdammt! Hätte ich dich vor einem Jahr gefangen, wäre ich jetzt reich!«

»Red kann reden?«

»Ja, es stimmt. Ich kann reden. Und ich bin damit höchstwahrscheinlich weiser als ihr zwei. Aber ich will meinen Mund nicht vor so zwei wie euch öffnen. Ihr, die ihr eure Schusswaffen erhebt und sagt, was euch beliebt. Ihr könnt keine Freunde sein.« Nanaki drehte sich um und machte einen kleinen Sprung in das Dickicht.

»Verdammt!«

Schüsse. Die runde Kugel schoss an Nanakis Ohr vorbei. »Seht ihr, am Ende schießt ihr doch. Ihr seid die Art Mensch, die mich in einen Käfig stecken würde, wenn sie mich fangen könnte. Dann würde man versuchen, mich zum reden zu zwingen. Und ihr dachtet ihr könntet euch mit mir verstehen.«

Nachdem er etwas Abstand zwischen sich und den Jägern gewonnen hatte, sah er, dass sie ihn nicht mehr verfolgten. Er ging wieder dahin zurück, wo er den Vater mit seinem Sohn traf. Sie waren immer noch dort und fingen an, den Körper des Nibel-Bären zu zerlegen.

»Papa, ich will Red.«

»Ja… Sieht so aus, als könnte er etwas Geld reinbringen. Shinras Zeiten mögen vorbei sein. Aber wir können ihn ja ausstellen. Das Beste währe wohl, ihn zum Gold-Saucer zu bringen«

»Nein, ich will, dass wir Freunde werden.«

»Sei nicht albern.« sagte der Jäger, während er mit seinem Messer den Schwanz des Nibel-Bären abschnitt. »Das ist nicht wie bei Katzen oder Hunden. Du wirst es nicht zähmen können.«

»Und du kannst mich erst recht nicht zähmen«, dachte Nanaki.

»Erst einmal brauchen wir hier ein paar Leute.«

»Was hast du vor?«

»Das Einzige für uns nutzbare, waren die Schwänze der Nibel-Bären, richtig? Shinra hat sie uns zu hohen Preisen abgekauft, weil sie als Stimulantia für die Soldaten benutzt wurden. Aber von jetzt an wird auch das Fleisch des Bären von Nutzen sein. Es schmeckt nicht lecker, aber es schmeckt auch nicht wirklich schrecklich. Je nachdem wie man es kocht, kann es richtig gut werden.«

»Oh! Also werden wir es essen!«

»Ja genau. Der Welt wird es an Nahrungsmitteln mangeln. Ich weiß nicht, ob es so bleibt oder bald aufhört, aber ich bin mir sicher, dass wir Geld aus dieser Gelegenheit schlagen können.«

Vater und Sohn ließen den Nibel-Bären so wie er war und gingen weg. Dieser Jäger war kein schlechter Mensch. Er blieb nur einfach standhaft, so dass er in diesen Zeiten überleben konnte. Wenn Nibel-Bären eine neue Nahrungsquelle für die Menschheit sein konnte, sollte es so sein. Alle lebendigen Wesen mussten essen, wenn sie nicht verhungern wollten.

Bugenhagen hatte Nanaki einst etwas beigebracht. Was Tiere von Monstern unterscheidet, ist die Art, wie sie den toten Gegner behandeln. Tiere töten einander, um zu essen, aber Monster töten ohne Grund. Sofort suchen sie sich das nächste Opfer. Wenn man darüber nachdenkt, kommen Menschen sehr nah an Monster heran. Wenn der Schwanz des Nibel-Bären das Einzige war, was der Jäger wollte, könnte man in wahrscheinlich als Monster bezeichnen. Aber es ist was anderes, wenn er ihn essen muss, um zu überleben. Es war ein bisschen unfair, dass er ein Gewehr besaß, aber so funktioniert nun mal die Nahrungskette.

»Selbst diese beiden sollten nicht einfach das machen dürfen, was ihnen gefällt, aber da kann ich mich nicht einmischen.«, dachte Nanaki. Er hatte, seit er sehr jung war, viel Zeit mit Menschen verbracht und deshalb nie viel gejagt. Selten hat er es überhaupt versucht, wenn er ans Jagen dachte. Wenn er überlegte, wie er seinem Opfer das Leben aushauchen sollte, ohne es essen zu wollen, kam er sich wie ein Monster vor.

»Genau«, dachte Nanaki. »Ich werde nicht über sie urteilen.« Viele Menschen denken nicht über den Tot der Tiere nach, die sie essen um zu überleben. Selbst wenn sie sich dessen bewusst werden, versuchen sie, nicht zu sehr darüber nachzudenken – abgesehen von denen, die ihr ganzes Leben nach Essen jagen. Der Meinung war auch Nanaki. Es brachte nichts, über die Sache zu rätseln. Selbst wenn es eine eindeutige, korrekte Definition für dieses Verhalten gäbe, würde er es momentan wahrscheinlich noch nicht genau verstehen.

»Geeeeee!« Ein ohrenbetäubend hoher Ton. Er kam von zwei kleinen Nibel-Bären, die zu dem toten Körper rannten. Alle anderen kleinen Tiere verschwanden panisch. Die kleinen Nibel-Bären kuschelten sich an den Körper – wahrscheinlich ihre Mutter – und drückten ihre Nasen und Pfoten dagegen.

»Sie wollen sie sicher aufwecken…« Nanaki schaute sie hilflos an. Dann erinnerte er sich. »Der Jäger sagte doch, dass er einige Leute herholen wollte. Wenn die beiden Jungen hier bleiben, sind sie auch in Gefahr.« Plötzlich konnte er nicht einfach mehr zusehen. Er kam aus dem Dickicht und erschien vor den Jungen.

»Ich weiß wie ihr euch fühlt, aber es ist gefährlich hier. Folgt mir.«

Nanaki sprang zurück ins Dickicht und versuchte, die Jungen wegzuführen. Aber seine Worte drangen nicht durch, denn die Jungen starrten ihn nur an – mit einem Ausdruck, den er nicht verstand.

»Ihr könnt hier nicht bleiben. Die Menschen kommen, versteht ihr.«

Nach kurzem Überlegen hüpfte er einem der Jungen entgegen und nahm es mit seinem Maul auf.

»Geeeeee!« Als das Junge, welches Nanaki hielt, aufschrie, heulte auch das andere auf, »Geeeeee!«

»Gott…«, dachte Nanaki, während er sich umdrehte um mit einem der Jungen im Maul ins Dickicht zu gehen. Das andere folgte ihm.

»Ja, so ist es richtig!«

Nanaki lief tief in den Wald hinein. Manchmal hielt er an, um auf das andere Junge zu warten, das all seine Kraft brauchte, um mitzuhalten. Wenn es wieder aufgeholt hatte, rannte Nanaki weiter. In diesem Rhythmus ging es weiter, bis er ein offenes Areal erreichte. Dort lagen alte Steine herum und Nanaki wusste genau, dass dies das Werk von Menschen war. Als er die Umbebung betrachtete, sah er viele Materialien aus Stein, die überall ungeordnet und aufgehäuft dalagen.

»Hat hier jemand versucht, etwas zu bauen?« Das war jedoch das einzige Anzeichen für Menschen. Die Luft sagte ihm, dass er Platz schon seit langem verlassen war.

Nanaki ließ das Junge aus seinem Maul herab. Er war überrascht, dass es sich nicht bewegte, aber dann konnte er hören, dass es eingeschlafen war.

»Welch sorglose, kleine Wesen«, dachte Nanaki. Mit einem kleinen Schrei »Geeee!« und ohne Angst rannte nun auch das andere Junge zu ihnen. Es schnupperte. Vielleicht war es neugierig über den vertrauten Geruch an Nanaki. Dann schnupperte es an seinem kleinen Bruder. Kurz danach gähnte es und schlief zufrieden bei seinem Bruder angekuschelt ein.

»Wie süß«, dachte Nanaki. Aber dann war er besorgt. »Was soll ich jetzt machen? Ich habe nun die Verantwortung für diese Jungen.« Nanaki legte sich nieder und schaute die Brüder an. »Werden sie ohne ihre Mutter überleben können? Was essen solche Nibel-Bären?«

Auf den ersten Blick mögen sie wie wilde Fleischfresser ausgesehen haben, aber diese Art von Tieren hat eine vielfältige Ernährung, fast so wie Nanaki. Wenn dem so war, sollte der Wald voller Nahrung sein. Nanaki fasste einen Entschluss. Er wollte vorm Verlassen des Waldes etwas Nahrung suchen. Er war über die Zukunft der beiden Brüder besorgt, aber er konnte sich nicht für immer um sie kümmern. Es war das Beste, wenn sie auseinander gingen, bevor sie sich zu sehr aneinander gewöhnten. Aber erst einmal gähnte auch Nanaki und schloss dann seine Augen.

Einige Zeit später öffnete Nanaki wieder die Augen. Kein Zeichen von den Jungen vor ihm.

»Sie sind anscheinend losgezogen. Lebt wohl.« Aber gerade als er das dachte, bemerkte er ein seltsames Gefühl an seiner Seite. Die beiden Brüder hatten sich zwischen den Boden und seinem Fell gelegt und schliefen tief und fest.

»Das ist nicht gut – gar nicht gut.«

In dem Moment merkte Nanaki, wie sich sein Herz mit Gefühlen füllte, die er nie zuvor hatte. Es waren Gefühle, die alle Vernunft beiseite schoben. Er war nun entschlossen, sich um die zwei zu kümmern, bis sie selbstständig wurden.

Nanaki nannte die Brüder „Pazu“ und „Rin“.
Er brachte ihnen bei, wie man jagt. Er selbst war zwar nicht so gut im Jagen, aber er brachte sie dazu, genau hinzuhören, als wenn das alles von großem Nutzen war. Er hatte kein Problem damit, anderen Tieren das Leben zu nehmen. Dies war ein fairer Kampf ums Überleben.
Manchmal trafen sie auf andere Nibel-Bären. Nanaki versuchte, ihnen zu zeigen, dass er nicht feindlich war, wurde aber immer ignoriert. Immer wenn das passierte, stach der Gedanke, dass er sich nicht hätte einmischen sollen, durch sein Herz.
Nein, vielleicht wurde er vom Wald schon als Freund akzeptiert.
Vieles ging ihm durch den Kopf. Jeden Tag entdeckte er etwas neues, und obwohl er sich sorgte, waren die Tage recht friedlich. Manchmal fragte er sich, ob ein solches Leben gut ist. Immer, wenn er darüber nachdachte, sagte er sich, dass das Teil seines Auftrags war, aber zur selben Zeit war ihm klar, dass er auch Freude daran hatte.

Schon bald kamen viele Menschen in den Wald und jagten fast jeden Tag. Die Nibel-Bär Jagd wurde zur Regelmäßigkeit. Das Fleisch der Bären wurde als Nahrung akzeptiert. Nanaki dachte, dass er Pazu und Rin neben dem Jagen auch die Flucht vor dem Menschen beibringen musste.

Nanaki wusste nicht mehr, wie viele Tage und Monate er nun schon im Wald verbracht hatte.

»So ein Zeitgefühl ist charakteristisch für Menschen«, dachte Nanaki. »Ich kann sowohl mit Menschen als auch mit Tieren zusammenleben, aber momentan lebe ich in der Zeit der Tiere. Ich bin besorgt über das Versprechen gegenüber Yuffie, aber da geht’s um eine Krankheit. Da hat nichts mit Tieren zu tun.«

Im ersten Moment tat es ihm weh, so etwas zu denken, aber dann ließ er es sich genau durch den Kopf gehen.

»Hierüber werde ich dann reden, wenn die Zeit zurück in die Welt der Menschen gefunden hat. Ich verbrachte meine Zeit als Tier in einem Wald. Es war nötig, die Emotionen des Überlebens kennenzulernen. Das ist es, was ich erzählen werde.«

Gilligan erschien viele Male im Inneren Nanakis. Zwischen den bekannten Gesichtern kamen nun auch Pazus und Rins dazu. Die Gesichter der Brüder tauchten in der mit schwarzen Emotionen gefüllten Seele auf und sanken wieder ab als würden sie verschwinden.
Das lies Nanaki jedes Mal vor Angst zittern. Es verschwand jedoch sofort wieder, wenn er merkte, wie sich Pazu und Rin an ihn kuschelten.
Jetzt verstand Nanaki endlich, was Gilligan wirklich war. Es war die Angst vor Verlust.
Es war die Angst, geliebte Freunde zu verlieren, die ihn so zittern ließ. Da er das nun wusste, fürchtete er sich nicht mehr vor Gilligan. Es bringt nichts, sich vor Verlust zu fürchten.

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