„Meinetwegen. Aber das könnte helfen, oder?“
Yuffie holte ihre Heilungs-Materia hervor und zeigte sie ihren Vater.
„Ah—“
Godo schaute vorsichtig zu Yuffie.
„Hast du noch mehr davon?“
„Nein. Es gab noch ein Paar mehr Materia dieses Typs. Ich hatte wirklich vor, noch Weitere mitzubringen, aber weißt du, der Angriffs-Typ wäre zu gefährlich gewesen, nicht wahr?“
„Das ist gut. Eine weise Entscheidung.“
Godo ging zur Trainingshalle mit dem roten Dach und begann, dessen Zustand zu untersuchen.
„Sieht so aus, als könnten wir das hier leicht reparieren.“
Dann rief er: „Hey Allesamt, helft mir hierbei! Wir werden diesen Ort in ein Krankenhaus umfunktionieren!“
*** *** ***
Yuffie war sich sicher, dass ihr Leben als Materia-Jägerin zu Ende war und das für sie eine neue Zeit als großartige „Doktor Yuffie“ beginnen würde. Alle, die in das Krankenhaus kamen, dankten Yuffie. Sie wollte immer noch jemanden erzählen, was auf ihrer Reise alles geschehen war, aber angesichts der vielen Verwundeten, die durch den Lebensstrom verletzt wurden, kam ihr der Gedanke nie in den Sinn.
Einige der Leute hatten Wunden, die selbst die Materia nicht heilen konnte, aber sie war sich sicher, dass sie bei guter Fürsorge allmählich heilen würden. Das Problem war nur, dass Yuffie selbst nicht über die nötigen geistigen Kräfte verfügte.
Materia war die Kristallisation des Lebensstroms. Um die Macht des verfestigten Kristalls hervorrufen zu können, wird eine Art Stoßimpuls benötigt, der durch die Gedankenströme des Benutzers ausgelöst wird. Daraus resultiert ein bedeutend geschwächter Geist des Benutzers.
Die Erschöpfung war nur schwer zu ertragen und wurde durch Müdigkeit erschwert. Yuffie legte ihr „Dr. Yuffie“ am Abend ab, machte es sich sogleich in ihrem Futon-Bett bequem und wollte nur schlafen.
„Ugh…“
„Morgen werde ich eine Auszeit vom Heilen nehmen und irgendwo hingehen, wo sich ein Vorrat an Äther oder Ähnliches auffinden lässt.“, dachte Yuffie. „Warte. Ich frage mich, ….ob Cloud und die anderen jemals ihre Reise unterbrochen haben, nachdem sie all ihren Äther verbraucht hatten?“
*** *** ***
Bum Bum… Bäng Bäng….
Jemand hämmerte an die Wand.
„Ruhe, maaaaaaan!!!!“
Yuffie schrie auf und sprang aus ihrem Futon. Gab es einen Notfall?
Bum bum… Bäng bäng….
„Nein, etwas stimmt nicht— Ja, es klingt, als hämmere da jemand Nägel ein.“
„Das sollte reichen, um Yuffie gefangen zu halten.“, hörte sie ihren Vater sagen.
„Heh?“
Yuffie hechtete zur Tür. Sie versuchte, sie zu öffnen, aber sie bewegte sich nicht.
„Hey, Papa! Was hast du getan?! Ich kann die Tür nicht öffnen!“
„Frag dein Gewissen. Wie kannst du nur versuchen, etwas so Wichtiges zu verheimlichen? Bleib da drinnen und denk darüber nach, was du getan hast!“
Yuffie war der Ansicht, dass es überhaupt nichts gäbe, über das sie nachdenken müsste. Sie legte die Hand auf ihre Brust, aber außer das Pochen, das ihr sagte, sie sei am Leben, vermittelte es ihr nichts.
„Papa!“
Aber es war keiner mehr da, der ihr antworte.
„Ist da noch irgendjemand?“
Ihre Stimme klang so hilflos, dass es sie selbst überraschte. Und was sie noch mehr verwunderte, war, dass ihre Müdigkeit sie nicht einmal in dieser Situation losließ.
„Dummer Papa. Nachdem ich etwas geschlafen habe werde ich… Werde ich es dir heimzahlen.“
Bumm.
Es klang, als ob jemand gegen die Wand trat. Yuffie erwachte. Es fühlte sich an, als ob sie einige Stunden geschlafen hatte.
„Was ist denn jetzt…“
„Du dumme Yuffie!“
Es war die Stimme eines Mädchens in ihrem Alter. Eine unbekannte Stimme. Es nervte sie umso mehr, dass irgendeine Fremde sie als dumm bezeichnete.
„Warum bin ich dumm?!“
„Es ist deine Schuld, dass Yuris Mutter krank ist!“
„Krank? Wovon redest du? Was hat das mit mir zu tun?!“
„Du hast es mit dir aus Midgar gebracht, oder?“
„Was?!“
Aber es kam keine Antwort. Stattdessen hörte sie das Gemurmel Erwachsener.
„Wahrscheinlich sagen sie ihr, dass sie nicht mit mir sprechen soll.“, dachte Yuffie.
Dong!
Hin und wieder waren Geräusche an der Wand zu hören. Es klang, als werfe jemand Steine an die Wand des Trainingsgebäudes. Das Trainingsgebäude war ein wichtiger Bau. Als Yuffie daran dachte, dass die Leute sie so sehr hassen mussten, dass es ihnen egal war, ein so wichtiges Gebäude zu beschädigen, schmerzte ihr Herz.
„Was habe ich nur getan.“
Yuffie wiederholte diese Worte viele Male, bis das Licht der Morgenröte durch die Ritzen der Wand schien.
„Yuffie? Yuffie, bist du am Leben?“
„Was ist das für eine Frage?“, dachte Yuffie.
Aber sie hörte, wie besorgt die Stimme klang und näherte sich der Wand.
„Wer bist du?“
„Ich bin es. Yuri. Erinnerst du dich nicht an mich? Wir spielten häufig miteinander, als wir noch Kinder waren.“
Sie hörte erneut die unbekannte Stimme. Auch, wenn sie sich daran erinnern würde, wie ihr Kindheitsfreund aussah, so könnte sie ihn doch nicht erkennen. Aber sie konnte sich an seinen Namen erinnern. Es war Yuffies Schuld, dass seine Mutter krank geworden war — es war dieser Yuri.
„Wie geht es deiner Mutter? Sie ist krank, oder? Aber es ist doch nicht meine Schuld.“
„Meine Mama? Ja, es stimmt, dass sie krank ist. Es ist eine Krankheit, die wir nicht kennen. Schwarzer Eiter kommt ununterbrochen aus ihren Ohren. Wie es scheint, hat sie auch Schmerzen. Es tut weh, sie einfach nur anzusehen.“
„Verstehe, muss schrecklich sein.“, sagte Yuffie zu ihm, als ihr klar wurde, wie schrecklich die Symptome sein mussten und ließ ihren Kopf hängen.
„Ja, aber ich denke nicht, dass es deine Schuld ist, Yuffie.“
„Huh?“
Sie blickte auf, ohne nachzudenken.
„Warte, ich hole dich da raus.“
Eeeeek, Eeeeek.
Das Geräusch von Nägeln, die entfernt wurden, ertönte.
Bald war die Tür geöffnet und Yuri erschien.
„Hey.“
„Hallo“
Er hatte eine schöne Nase. Sein Haar war zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Aber Yuffie erkannte ihn nicht.
„Es ist so lange her, Yuri.“
„Du erinnerst dich!“
„Natürlich tue ich das.“
Ihr Herz schmerzte, aber sie konnte die derzeitige Situation nicht einschätzen, weshalb sie es für besser hielt, mitzuspielen.
„Das ist schlecht. Herr Godo und die anderen kommen. Lass uns weglaufen.“
Yuffie griff nach Yuris einladender Hand, ohne zu wissen warum. Die beiden rannten aus der Trainingshalle und hielten sich an den Händen.
„Yuffie! Yuffie! Warte! Hey, Yuri! Ihr werdet die Krankheit verbreiten!“
Die beiden rannten zum Tor des Dorfes, als Yuffie die Stimme ihres Vaters hinter sich hörte. Sie war sehr ärgerlich. Sie liefen, sich immer noch an den Händen haltend. Es schien, dass niemand mehr sie verfolgte. Plötzlich hielt Yuri an und Yuffie prallte gegen seinen Rücken.
„Hier entlang.“
Yuri bog nach links ab und stürmte davon. Daraufhin verstand Yuffie, warum er angehalten hatte.
Ein Monster beäugte sie und gab feindselige Geräusche von sich. Diese Art war für erfahrene Kämpfer nichts weiter als ein kleiner Fisch. Solange man stets darauf achtete, ihrem Gift zu entkommen, stellten sie keine große Bedrohung dar.
Yuffie zog ihre Hand aus Yuris‘ und machte sich bereit für den Kampf. Sie hatte keine Waffe bei sich, aber sie würde es schon irgendwie mit diesen Monster aufnehmen können.
„Yuffie, sie sind giftig.“
„Ich weiß.“
„Ja“, erinnerte sich Yuffie.
„Dies ist schon einmal vor viel zu langer Zeit geschehen. Ja. Ich habe oft mit Yuri zusammen gespielt. Es geschah, als wir nahe der Da Chao Statue gespielt haben. Ein kleines, pelzartiges Monster sprang uns an und als Yuri dessen Merkmale erkannte, rannte er davon. Er ließ mich zurück und als ich gestochen wurde, schlief ich drei Tage lang.“
„Keine Sorge, ich besitze Materia.“
Das Monster sprang mit einem Rauschen vom Boden auf Yuffie zu. Gerade als sie es zu Boden schlagen wollte, flog ein kleines Messer durch die Luft und durchbohrte das Monster. Es fiel zu Boden und zuckte noch ein wenig, bis es schließlich starb. Yuffie blickte zu Yuri. Er sammelte das Messer vom Monster auf und verbarg es in seiner linken Handfläche. Sie erkannte, dass zumindest er bestens auf diese Reise vorbereitet war.
„Ich bin nicht mehr der Schwächling, den du einst kanntest.“
„Dann hättest du eher gegen es Kämpfen müssen.“
„Wenn mir etwas zustoßen würde, wäre Mutter ganz allein. Komm, lass uns weiter.“
„Wohin gehen wir? Bist du sicher, dass es in Ordnung ist, deine Mutter zurückzulassen?“
„Es ist ja nur für kurze Zeit.“
Yuri zog einen mittelgroßen Shuriken aus dem Lederbeutel auf seinem Rücken hervor. Verglichen mit der riesigen Variante, die Yuffie gewöhnlich mit sich trug, schien er nicht gerade stabil zu sein, aber es war eine traditionelle Wutai-Waffe, die Yuffie seit ihrer Kindheit bekannt war.
„Verwende ihn.“
„Sicher.“
Yuffie warf ihn sofort. Der Shuriken flog in die Luft und schnitt eine scharfe Kurve, bevor er wieder zurückkehrte.
„Dort.“
Sie fing ihn wie ein Experte.
„Genau, was ich von dir erwartet habe.“
„Ja. Wie erwartet. Auf diese Weise habe ich gekämpft und den Planeten gerettet. Ich habe den Planeten heraufbeschworen. Wirklich–“
„Ich freute mich auf eine Beglückwünschung von allen.“
„Ich mache dir nächstes Mal eine Freude. Im Schildkröten Paradies.“
„Das ist keine Beglückwünschung.“
Yuffie und Yuri setzten sich auf eine Erhöhung, von der man die flackernden Lichter Wutais aus der Ferne sehen konnte. Yuffie dachte darüber nach, was und wie sie Yuri fragen sollte, während er sich nach Verfolger umschaute. Beide waren für einen Moment lang ruhig.
„Wie steht es um Midgar?“, fragte Yuri, als er sich erneut umschaute.
„Die Stadt sitzt ganz schön in der Tinte. Der Lebensstrom brach dort hervor, direkt in der Nähe drohte Meteor einzuschlagen und nicht lange davor gab es dort Explosionen… Viele Kämpfe wurden auch ausgetragen. Aber ich bin schon längere Zeit nicht mehr in dieser Gegend gewesen…“
„Ja. Ich weiß nicht viel darüber. Genau wie über alles andere auch nicht.“
„Was ist mit der Krankheit?“
„Also, darüber— Was war eigentlich vorhin los? Ich weiß nichts über die Krankheit. Ich weiß nicht einmal, warum man mich eingesperrt hat.“
„Herr Godo hat dir nichts darüber erzählt?“
„Nein. Vermutlich hat er mir nichts erzählt, weil er immer noch denkt, ich wäre ein Kind und würde es nicht begreifen.“
„Verstehe. Aber ich glaube, du irrst dich. Ich denke, Herr Godo wusste einfach nicht, was er zu dir sagen sollte. Ich wusste auch nicht, was ich meiner Mutter sagen sollte.“
Yuri versuchte, es zu erklären.
„Es sieht wie eine schreckliche Krankheit aus.“
„Ja, wie ich aus Midgar hörte, sterben die Infizierten normalerweise daran.“
„Verstehe…“
Ohne Mitgefühl Yuri gegenüber fragte Yuffie: „Warum ist es meine Schuld?“
„Gestern haben wir Informationen erhalten, dass sich eine schreckliche Krankheit stark in Midgar ausbreitet hat. Dann erfuhren wir, dass meine Mutter und einige andere auch infiziert wurden. Mit anderen Worten heißt das, du musst die Krankheit aus Midgar mitgebracht haben. Du bist die einzige, die in letzter Zeit von dort zurückkehrte.“
Mit einem entschuldigenden Blick sah Yuri Yuffie an, aber sie bemerke es nicht.
„Warte Mal! Es ist wahr, dass ich aus Midgar wiedergekommen bin. Aber warum ist es meine Schuld? Ich habe deine Mutter nie besucht und kenne auch keinen der anderen Personen. Und ich selbst bin nicht einmal krank!“
Protestierende stand Yuffie ohne nachzudenken auf. Ihr Kampfgeist brannte im Inneren.
„Ratten übertragen Krankheiten, sind aber nicht selbst krank.“
„Ratten!?“
„Oh, das ist nur etwas, was die Erwachsenen gesagt haben. Außerdem waren meine Mutter und der Rest der anderen Patienten verwundet und wurden alle von dir behandelt. Du weißt doch, in der Trainingshalle.“
„Das sind alles falsche Anschuldigungen!“
„Danach verbreitete sich die Krankheit.“
„Ich habe nichts damit zu tun!“
Yuffie packte Yuri ohne zu überlegen. Sie wusste, dass er nichts falsch gemacht hatte, aber sie konnte sich einfach nicht zurückhalten.
„Wir werden deine Unschuld beweisen.“, sagte Yuri ruhig.
Yuffie entspannte sich.
„Ja. Ja, das werden wir! Es muss noch jemanden anderen geben, der aus Midgar zurückgekommen ist. Wir werden ihn finden und entlarven! Ich werde es den Leuten zeigen, die mich verdächtigen! Was denken die, wer ich bin!?“, brüllte Yuffie hinaus.
„Du hast dich nicht verändert. Immer nur ich, ich, ich.“
„Was meinst du?“
„Warum kannst du nicht lieber daran denken, eine Heilungsmethode zu finden, anstatt nach einem Schuldigen zu suchen? Lass uns nach einer suchen. Zusammen.“
„Aber…“
Das stimmte vielleicht, aber mit diesem Vorschlag war Yuffie unzufrieden.
„Wenn du sie heilst, werden die Menschen ihre Meinung über dich ändern. Sie werden dich nicht mehr länger verdächtigen und dir dankbar sein.“
„Hmmm…“
Yuffie dachte darüber nach. Was Yuri gesagt hatte, stimmte. Es wäre zum Wohl aller. Aber wäre sie damit zufrieden?
„Yuffie, meiner Mutter bleibt nicht mehr viel Zeit. Ich möchte, dass du mir hilfst.“
„Ok.“
„Ja, mir bleibt genug Zeit, den Schuldigen danach zu finden.“
*** *** ***