Tifas Geschichte: Kapitel 4

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Tifa ermutigte Cloud, einen Kurierdienst zu eröffnen. Sie würden die Aufträge in der Bar entgegennehmen. Um die Anrufe konnten Marlene oder sie sich kümmern. Cloud zögerte, aber nachdem er eine Nacht darüber geschlafen hatte, stimmte er dem Vorschlag zu. Trotzdem zweifelte er im Nachhinein immer noch.

Dies war also der Beginn des „Strife-Kurierdienst“. Midgar war das Zentrum ihres Geschäftes, aber sie lieferten auch in die ganze Welt. Natürlich nur die Orte, die Cloud mit dem Motorrad erreichen konnte. Cloud freute sich darüber, wie er zu einer Art Aushängeschild wurde. Die Arbeit verlief wirklich sehr erfolgreich. Zu jener Zeit war es schwierig, etwas zu verschicken. Monster lauerten an vielen Orten und Straßen führten in Gegenden, deren Existenz durch den Ausbruch des Lebensstromes bedroht war. So etwas wollten sich die wenigsten Leute aufhalsen. Aber es war genau die Art von Arbeit, die Cloud machen wollte. Tifa fand es wunderbar, wie der stille und introvertierte Cloud durch seine Arbeit half, Menschen miteinander zu verbinden.

Doch die Arbeit belastete ihr Zusammenleben. Für die „Familie“ lief es nicht gut. Cloud war normalerweise von früh bis spät unterwegs. Dies bedeutete, daß es wenig Gelegenheit gab, sich zu unterhalten. Tifa wollte einen Ruhetag einführen, aber Cloud hielt das nicht davon ab, seiner Arbeit nachzugehen. Cloud konnte einfach keinen Auftrag abschlagen. Obwohl Tifa wollte, daß sich alle dann und wann Zeit für die Familie nahmen, überlegte sie dann, daß es sehr egoistisch von ihr war. So war es schließlich Marlene, die zuerst eine Veränderung an Cloud bemerkte. Sie erzählte Tifa, daß er manchmal einfach in den Himmel starrte und sie gar nicht wahrnahm.

Cloud stand Marlene noch nie nahe, aber ich bin mir sicher, daß er sie noch nie zuvor ignoriert hatte, wenn sie mit ihm sprach. Ich weiß, daß Cloud eigene Wege hatte, mit Marlene umzugehen. Ich dachte darüber nach, daß es überall Menschen gab, die nicht mit Kindern umgehen konnten und ihre eigenen Wege fanden, damit fertig zu werden.

Ich sagte ihr, daß Cloud vielleicht einfach nur müde war, doch es störte mich. Marlene war ein sensibles Kind, das Veränderungen an Erwachsenen sofort bemerkte.

Während eines freien Tages säuberten Marlene und Tifa den Raum, der nun Clouds Büro war. Dort befanden sich viele Blätter, die unordentlich verstreut herumlagen. Eins davon fesselte Tifas Blick:

Auftraggeber: Elmyra Gainsborough
Liefergegenstand: Blumengesteck
Bestimmungsort: Die Vergessene Stadt

Tifa legte das Blatt mit den anderen beiseite, als wäre nichts gewesen. Aber sie zitterte stark. Dinge um die ganze Welt zu liefern, bedeutete auch, daß Cloud dabei seiner Vergangenheit begegnete. Sie wußte, daß Cloud sich Vorwürfe machte, weil er Aerith nicht hatte beschützen können. Cloud war kurz davor gewesen, darüber hinweg zu kommen, aber nun, da er zu dem Ort zurückkehren mußte, wo er und Aerith getrennt worden waren, würden Kummer und Reue erneut über sein Herz kommen.

Es war Nacht und sie hatten die Bar geschlossen. Cloud trank Wein, was er selten tat. Er leerte sein Glas. Sie zögerte kurz, bevor sie rüber ging und sein Glas nachfüllte.

„Soll ich dir Gesellschaft leisten?“ Da war etwas, das sie mit ihm besprechen wollte.

„Ich möchte allein trinken.“

Als die das hörte, verlor sie die Kontrolle und fuhr ihn an: „Dann trink gefälligst in deinem Zimmer.“

Barret hatte ein paar Mal angerufen. Die meiste Zeit wollte er nicht über sich selber sprechen, dafür erkundigte er sich, wie es Marlene ging. Dann unterbrach er das Gespräch, um ein bißchen mit Marlene zu plaudern. Marlene vergewisserte sich, das Tifa nicht zuhörte und dann erzählte sie ihm: „Cloud und Tifa kommen nicht mehr so gut miteinander aus.“

Egal wie es zwischen Cloud und Tifa aussah, sie konnten Marlene nicht auch noch reinziehen, überlegte Tifa.

Tifa zwang sich dazu, mit Cloud zu reden. Wenn Marlene in der Nähe war, wechselte sie das Thema, um das Gespräch nicht zu ernst erscheinen zu lassen. Cloud war über Tifas wechselndes Verhalten sehr erstaunt, aber glaubte zu wissen, was sie vorhatte. So ließ er sich nichts anmerken und sprach ebenfalls in lässiger Tonart. Schließlich schloß sich Marlene ihrem Gespräch an.

Ich dachte, es liefe ganz gut. Aber ich konnte nicht wirklich über das reden, war mir am Herzen lag. Ich wußte nicht, was ich sagen sollte.

Eines Morgens erzählte Tifa ihnen eine lustige Geschichte, die sie von einem Kunden gehört hatte.

„Das kann doch nicht wahr sein“, dachte Cloud laut.

„Das kann doch wirklich nicht wahr sein!“ kreischte auch Marlene.

Die Erwachsenen waren überrascht und sahen Marlene an.

„Du hast uns diese Geschichte schon mehrmals erzählt! Cloud gibt immer wieder die gleiche Antwort darauf!“

Es lief nicht gut, aber sie waren immerhin zusammen. Sie waren eine Familie. Sie lebten im selben Haus und sie lebten, um die Familie zusammenzuhalten. „Vielleicht gab es zu wenig Gespräche und zu wenig Freude, aber wir waren eine Familie“, überlegte Tifa. Nein, das war nur, was sie glauben wollte.

Als sie eines Abends sicher war, daß Cloud eingeschlafen war, fragte sie ihn: „Mit uns ist alles in Ordnung, oder?“

Natürlich gar er keine Antwort. Nur die Geräusche, die er im Schlaf von sich gab. Tifa fragte sich, ob die Tatsache, daß Cloud überhaupt noch hier schlief bedeutete, daß er Teil der Familie war.

„Liebst du mich?“

Cloud wachte auf, mit einem zweifelnden Ausdruck auf dem Gesicht.

„Hey Cloud, liebst du Marlene?“

„Yeah, aber manchmal weiß ich nicht, wie ich mit ihr umgehen soll.“

„Obwohl wir schon so lange Zeit zusammen sind?“

„Vielleicht ist das nicht genug?“

„Sind wir nicht genug für dich?“

Cloud wußte darauf keine Antwort.

„Entschuldige, daß ich so merkwürdige Dinge frage.“

„Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Es ist mein Problem.“

Cloud schloß seine Augen.

„Laß uns gemeinsam daran arbeiten.“

Cloud antwortet nicht.

Nicht lange nach diesem Abend brachte Cloud Denzel mit nach Hause. Denzel war schon bewußtlos, als er in die Bar getragen wurde. Es war Geostigma. Cloud fand, es sähe so aus, als habe der Junge die Krankheit noch nicht lange. Während Tifa Denzel verarztete, dachte sie darüber nach, wie viele Kinder noch diese Infektion hatten. Es gab genügend Einrichtungen für Kinder, die ihre Eltern verloren hatten. Warum brachte Cloud Denzel ausgerechnet hierher? Als Tifa Cloud danach fragte, murmelte er etwas.

„Dieses Kind kam zu meinem Platz.“

„Was meinst du damit?“

„Ich meine damit…“

***  ***  ***

Nachdem sich Denzel erholt hatte, erzählte er alles was ihm passiert war, bevor er hier ankam. Dann dachte sie sich, daß sein Kommen vorherbestimmt war. Er gehörte zu den Opfern der Zerstörung von Sektor 7.

Sektor 7 wurde wegen uns zerstört. Darum mußte ich die Verantwortung für ihn übernehmen und ihn großziehen. Er kam nicht zu Clouds Platz. Er hat ihn getroffen, so daß er ihn zu meinem Platz bringen konnte.

Tifa besprach mit Cloud und Marlene, wie sie Denzel in ihrer Familie willkommen heißen wollte. Cloud nickte nur ruhig, aber Marlene war voller Vorfreude.

Zuerst beharrte Denzel darauf ihnen zu helfen, als Dank dafür, daß sie ihn aufnahmen, aber sein Herz öffnete sich bald ihnen gegenüber, während er Cloud bei dessen Arbeit und allen Aufgaben rund um die Bar half.

Es war Nacht und die Bar hatte geschlossen. Während sie die Küche sauber machte, schaute Tifa rüber zu dem Tisch in der Mitte des Raumes. Dort saßen der Manager des „Strife-Kurierdienstes“, Cloud, und seine beiden Assistenten Denzel und Marlene. Denzel litt oft wegen dem Geostigma, aber an den Tagen, an denen er kein Fieber und keine Schmerzen hatte, hing er mit Cloud herum. Cloud verbachte den halben Tag draußen. Wenn er dann zu Hause war, war es Denzels wertvolle Zeit, um sie mit seinem Helden zu verbringen. Ja, Cloud war für Denzel ein Held. Mit dem Motorrad rumfahren, Kinder retten, die mit dem Schrecken des Todes kämpften, nachdem bei ihnen die Symptome des Geostigma ausbrachen… Das war wonach sich Denzel sehnte. Alles was Denzel wissen wollte, fragte er Cloud. Er stellte seine Fragen nicht Tifa, sondern wartete, bis Cloud Heim kam und er sie beantworten konnte. Eines Tages sagte Tifa halb scherzend zu Denzel, daß die diejenige sei, die tagtäglich das Essen für ihn kochte und ihn umsorgte. Denzel erwiderte daraufhin in einer erwachsenen Art, daß auch er das Haus und die Bar jeden Tag sauber machte.

Es war wahr und er machte seine Arbeit sehr gründlich. Wenn man ihn fragte, ob ihm seine verstorbene Mutter das Saubermachen beigebracht hatte, sagte er nein. Am folgenden Tag fragte Tifa Cloud, ob er wisse, wer Denzels Lehrer im Saubermachen war. Er hatte es Cloud erzählt. Tifa war ein bißchen verletzt.

Es schmerzte mich, daß Denzel Cloud alles erzählte und mir nicht. Eines Tages fragte ich einen Kunden, der etwa das gleiche Alter wie Denzel hatte, danach. Er erzählte ihr, daß Jungs eben so seien. Also gab es gar keine Probleme, wir waren nur eine normale Familie.

Die Antwort führte zwar nicht dazu, daß sich das Verhältnis zwischen Tifa und Denzel besserte, aber die Worte „normale Familie“ beruhigten Tifa.

Nachdem die Bar geschlossen war, saßen dort die drei üblichen Leute am Tisch. Es würde niemanden erstauen, wenn jemand sagte, dort würde ein junger Vater mit seinen zwei Kindern sitzen. Als Tifa das fühlte, ging sie rüber zum Tisch und wurde von lächelnden Gesichtern begrüßt.

Cloud war über eine Karte auf dem Tisch gebeugt. Er überprüfte, welche Strecken er Morgen für die Lieferungen nehmen wollte. Denzel und Marlene sortierten die Zeitungen. Wenn es Worte gab, die Marlene nicht lesen konnte, fragte sie Denzel. Denzel brachte es Marlene bei, wie ein älterer Bruder. Wenn auch Denzel das Wort nicht lesen konnte, fragte er Cloud. Cloud hatte die Gewohnheit ihnen einen Stift zu geben, nachdem er ihnen sagte wie man das Wort las. Er sagte ihnen, daß sie sich später nicht an das Wort erinnern würden, wenn sie nicht wüßten wie man die Worte schreibt. Die vielen Namen von Orten in der Zeitung machten die Kinder neugierig und sie fragten Cloud, wie es dort sei. Clouds Erklärungen waren einfach. Dort gab es viele Menschen. Dort waren die Menschen sehr klein. Dort gibt es viele Monster, also ist es gefährlich. Die nördliche Route ist sicherer. Es waren sparsame Antworten, die einen fragen ließen: „Ist das alles?“. Aber die Kinder waren zufrieden. Bald wollte Tifa auch über diese Orte reden. Wenn sie mehr Details hinzufügte, fragte Denzel zuerst Cloud, ob es wahr wäre. Das ärgerte Tifa etwas. Aber sie dachte auch, daß alles in Ordnung war. Wahrscheinlich ging es in normalen Familien so zu.

Vielleicht wurden sie ein richtige Familie, jetzt wo Denzel hier war. Cloud nahm deutlich weniger Arbeit an. Abends wollte er sicher sein, genug Zeit für die Kinder zu haben. Die kleinen dummen Gespräche, die er mit Tifa geführt hatte, waren auch wieder da.

***  ***  ***

„Also ist das Problem gelöst?“

„Welches Problem?“

„Dein Problem.“

„Yeah…“

Cloud dachte darüber nach.

„Es ist schon in Ordnung, wenn du nicht darüber sprechen möchtest.“

„Ich kann es nicht gut erklären…“, fing Cloud an.

„Das Problem ist nicht gelöst. Ich denke es wird auch in der nächsten Zeit nicht gelöst werden. Du kannst keine Leben zurückholen, die verloren sind.“

Tifa nickte ruhig.

„Aber vielleicht können wir jene retten, die jetzt, in der Gegenwart, unsere Hilfe brauchen. Vielleicht kann sogar ich das tun.“

„Meinst du Denzel?“

„Yeah.“

„Hey, weißt du noch was du gesagt hast, als du Denzel herbrachtest?“

„Was habe ich gesagt?“

„Du sagtest, daß Denzel zu deinem Platz kam.“

„Ja…“ Cloud sah aus wie ein Kind mit dem man schimpfte.

„Erzähl‘ mir davon. Ich entscheide anschließend ob ich böse bin oder nicht.“

Cloud nickte und fuhr fort.

„Denzel war vor Aerith‘ Kirche zusammengebrochen. Darum dachte ich, daß Aerith ihn zu ‚meinem Platz‘ geführt hatte.“

Nachdem Cloud das alles in einem Atemzug gesagt hatte, schaute er weg.

„Du bist also zur Kirche gegangen.“

„Ich hatte nicht die Absicht, es zu verheimlichen.“

„Du hast es verheimlicht.“

„Tut mir leid.“

„Ich sagte nicht, daß du nicht gehen dürftest. Aber nächstes Mal gehen wir gemeinsam.“

„Ich verstehe.“

„Und du lagst falsch, Cloud.“

Cloud sah zweifelnd zu Tifa.

„Aerith hat Denzel nicht zu dir gebracht.“

„Yeah, das hab‘ ich auch gedacht.“

„Aerith brachte dieses Kind zu uns, oder nicht?“

Cloud starrte Tifa an und lächelte schließlich. Dieses güte Lächeln ließ Tifa glauben, daß alles wieder in Ordnung kommen würde.

*** *** ***

Ein paar Tage, nachdem sie diese Unterhaltung geführt hatten, ging Cloud fort. Tifa fragte sich, ob das Lächeln, das sie gesehen hatte, nur Einbildung gewesen war. Nachdem sie die Gesichter der schlafenden Kinder geküßt hatte, betrat sie Clouds Büro. Sie wischte den Staub von dem Familienfoto runter und versuchte Cloud anzurufen. Nachdem es ein paar Mal geklingelt hatte, meldete sich die Mailbox.

~ Ende von Tifas Geschichte ~

Fortsetzung folgt mit Barrets Geschichte

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