Nanakis Geschichte: Kapitel 4

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In Rocket Town war Cid damit beschäftigt, ein neues Luftschiff zu entwickeln. Allerdings sagte er dem verwundeten Nanaki, er solle sich ausruhen und ausheilen. Nanaki verbrachte seine Zeit damit, das Luftschiff, welches kurz vor der Fertigstellung war, von der Ferne zu betrachten, so dass er niemandem im Weg war.
Nanaki war überrascht, dass es nun fast zwei Jahre her war, dass er mit den Nibel-Bären im Wald lebte. Selbst Cid war überrascht, dass es so lange her war, seit sie sich das letzte Mal trafen.
Ein erfülltes Leben lässt einen die Zeit vergessen.

Eines Tages hatte Cid sehr gute Laune, weil das Luftschiff fertig war und er lud Nanaki zu einem Testflug ein. Nanaki freute sich auf die Fahrt.

»Wenn es runter fällt, ist es halt so. Hass mich dann nicht dafür, hörst du.«, sagte Cid.

»Dann ist es halt so. Das ist einfach gesagt«, dachte Nanaki.

In der Luft fliegend, würde jeder merken, wie klein die Welt doch ist. Für Nanaki, der auf dem Land reiste, war das erst recht so.

»Ich muss Cid dafür danken, dass er mir die Chance, dieses besondere Privileg, gibt, die Welt von hier oben zu betrachten.«, dachte Nanaki. »Dies ist die Welt, auf der ich noch ein paar hundert Jahre verbringen werde. Vielleicht auch mehr. Es gibt noch so viele Dinge im Leben, von denen ich noch nichts weiß. Ich bin sicher, es gibt viele Sachen, die ich sehen und kennen lernen sollte.«

Es war alltäglich, dass er sich auf dem weiten Land verirrte, aber jetzt wusste er, dass die Welt gar nicht so groß war. Dieses Wissen gab ihm den Mut zu verstehen, dass es nicht unmöglich war, alles zu lernen.

»Die Welt wartet auf mich.«

»Was haste gesagt? Übertreibs nich… Hä? Hey, Hey! Guck mal da…«

»Was ist los?«

»Guck doch. Da ist Yuffie. Was zum Teufel macht sie hier draußen?«

Nanaki fühlte sich etwas Schuldig beim Wiedertreffen von Yuffie. Nachdem sie ihn gebeten hatte, Informationen über die Krankheit zu sammeln, hat er nichts dergleichen getan. Er versuchte seine Schuldgefühle mit Heiterkeit zu überdecken.

Bald flog Cid weg und ließ Yuffie und Nanaki alleine. Natürlich sagte Yuffie wie so oft, dass sie Materia mit suchen wollte. Sie hatte sich seit dem letzten Mal nicht verändert. Damals war er auf  ihren kranken Freund Yuri sauer. Aus Wut sagte er ihr, dass es eine von ihr gewollte Materia nicht gibt. Aber jetzt fühlte er anders.
Trotzdem war er sich sicher, dass es keine Materia gegen die Midgar Krankheit – in Rocket Town auch „Geostigma“ genannt – gab.

Wenn Yuffie in all der Zeit, die er im Wald war, nach einer Heilung gesucht hatte, dann gab es wohl wirklich keine. Als er ihr sagte, wie er darüber dachte, sah sie ihn mit traurigem Gesicht an.

»Es tut mir leid. Ich werde dir trotzdem Suchen helfen.«, versprach Nanaki.

Yuffie und Nanaki gingen zu einer Höhle in den nördlichen Schneefeldern, wo Materia zu finden sein sollte. In der eisigen Höhle trug die Ernte aber keine Früchte.

»Ach… hier ist echt keine. Ich bin fertig.«, sagte Yuffie.

»Gibst du auf?«

»Nein, wir werden weitersuchen. Ich habe immer noch Hoffnung.«

»Wie meinst du das?«

»Das ist die letzte Höhle, von der wir wissen, dass es hier Materia gibt. Darum sollten wir sie noch einmal ganz genau durchsuchen, vielleicht haben wir irgendetwas übersehen, verstehst du?«, sagte Yuffie, während sie in die Ferne schaute.

Yuffie hatte den Patienten in Wutai Kampfsport beigebracht. Zuerst waren es nur Kinder, aber dann gab es sehr viel mehr Patienten, die von Yuffie körperlich trainiert werden wollten.

»Weißt du, die Krankheit ist wirklich ansteckend. Aber nicht jeder steckt sich an. Sie füllt den Platz in den Herzen der Menschen, die Sorgen haben, leiden oder am eigenen Leben zweifeln. Wenn sie also Kampfsport machen und ihren eigenen Körper trainieren, denken sie über solche Dinge nicht mehr nach, oder? Jeden Tag beschäftigt zu sein, lässt sie in der Nacht sofort einschlafen und verhindert, dass sie sich selbst mit schlechten Gedanken zu belasten. Deshalb will ich, dass auch wir hier unser Bestes geben.«

Yuffie sah Nanaki an und lächelte.

»Was denkst du?«

»Ich stimme dir zu. Sehr sogar.«

»Natürlich tust du das!«

Yuffie legte ihre Arme um Nanakis Hals und rubbelte sie an ihm.

»Aufhören!«

»Huch? Ich hab die ganzen Wunden an dir gar nicht bemerkt. Was hast du gemacht?«

Nanaki überlegte, wie er es sagen sollte.

»Ich war auf meiner Reise, die Welt zu erfassen.«

Es war anders als er es sich vorgestellt hatte, aber er wurde vom Leben eingeholt und lebte es vollkommen aus. Und er erinnerte sich an alles. Er hat Dinge erlebt, die seiner Meinung nach nicht einfach von Außenstehenden begriffen werden konnten.

»Hör auf, so cool zu tun, Dummerchen.«

Yuffie legte wieder die Arme um seinen Hals und drückte ihn fast schon so, als würde sie ihn würgen. Sofort hörte sie auf und sagte: »Bleib am Ball.«

Als er sich wieder von Yuffie getrennt hatte, wanderte er um die Welt, so wie er es wollte. Wenn er andere Tiere traf, fragte er sich, ob er irgendwie mit ihnen zusammen leben konnte. Und wenn er Menschen traf, nutzte er die Gelegenheit, mit ihnen zu reden.
Er fühlte, dass er die Wahrheit hinter allem kennen lernen sollte, egal ob es richtig oder falsch war.
Während der ganzen Zeit wuchs die Anzahl an Namen in seiner Erinnerung.  Kira Kira, Dolly Thief, Kai, Kumo Nagare, Love, Cries of the Trees – er gab jeder wertvollen Erfahrung, die manchmal auch schmerzte, einen Namen.

In diesen erfüllten Tagen gab es Eines, was ihn beunruhigte. Gilligan tauchte auf, als er die Tage alleine verbrachte. Es schien, als würde es immer mehr wachsen, je mehr Tage vergingen. Sicherlich lag es daran, dass man mehr zu verlieren hat, je mehr man erlebt.

»Deshalb wächst Gilligan immer weiter.«, dachte Nanaki.

Gilligans wahre Identität war die Angst vor Verlust. Nanaki war sich sicher, er würde sich nicht davor fürchten, wenn er wusste, was es war. Trotzdem erwischte er sich öfter selbst dabei, wie er zitterte und es brauchte immer länger, bis er sich davon erholte.

»Wieso?«, fragte sich Nanaki.

Schnell fing er an zu überlegen, ob er Gilligans wahre Natur missverstanden hatte. Er überdachte, was Gilligan sein konnte. Es war eine sich ausbreitende, Herz erfrierende Angst. Daran gab es keine Zweifel. Aber er wusste nicht, was der eigentliche Grund für diese Angst war.

»Gilligan, hm?«

Nach langer Zeit traf er in der Nähe des kleinen Sees der Vergessenen Stadt wieder mit Vincent zusammen, welcher beim Sprechen murmelte.

»Darüber weiß ich was.«

»Was? Kannst du mir mehr sagen?«

Nanaki drängte ihn.

»Eines Tages wirst du ganz bestimmt Verluste erleben. Du wirst traurig sein und dir einbilden, es wäre aus Angst. Es ist jedoch nichts, worüber man lachen kann. Du wirst dich daran gewöhnen.«

»Hmmm… du könntest recht haben.«

»Gilligan kommt aus einer weit entfernten Zukunft. Die Zukunft, vor der du dich unbewusst fürchtest.«

»Hä?«

»Es weiß alles über dich. Stell dir den Moment vor, in dem du alles verlierst, was du erlebt, gesehen und benannt hast. Nichts anderes teilt all das mit dir.«

»Hmmm…«

Nanaki stellte es sich vor. In dem Moment war Gilligan wieder da. Nanaki ertrug das Zittern und rief jede Vorstellung ab. Dann sah er sich selbst das hohe Gelände vor Midgar hoch rennen. Dahinter sah er Midgar mit unbekannten Pflanzen eingehüllt. Auch die Anwesenheit von Menschen war zu spüren.

Jedoch kannte er niemanden. Wenn er hingehen würde um mit dem Menschen zu reden, würden sie ihm vielleicht aus Sorge zuhören. Aber niemand würde sagen „Oh, so ist es dir also ergangen.“

»Ich bin ganz allein.«, sagte Nanaki zitternd.

»Ich hab eine so lange Lebensspanne, dass ich irgendwann einsam bin. Ist das Gilligan? Meine Angst vor Einsamkeit?«

»Ich würde es Erschöpfung von Überängstlichkeit nennen.«

»Mach dich nicht darüber lustig.«

Nanakis Ärgernis entgegenlächelnd, antwortete Vincent:

»Überleg mal Folgendes. Du wirst nicht einsam werden. Vielleicht hast du sogar mal Kinder.«

»Ich? Kinder haben? Das kann ich mir nicht vorstellen. Höchstens Nibel-Bären.«

»Wie wäre es dann damit: Jedes Jahr besuchst du Midgar. Dort werde ich dann auf dich warten und deinen ollen Geschichten zuhören, als würde ich mich kein bisschen dafür interessieren.«

Als Nanaki daran dachte, erschien Vincents ernstes Gesicht. Und das Zittern hörte auf. Gilligan war verschwunden.

»Sieht so aus, als wenn du nicht mehr zitterst.«

»Ja. Aber eines Tages wirst selbst du…«

»Der Tag wird niemals kommen. Ich bin unsterblich. Ob es nun Glück oder Unglück für mich bedeutet.«

»Ich…«

Nanaki dachte an die Einsamkeit, die Vincent umgab. Auch wenn er selbst eine lange Lebensspanne hat, eines Tages würde er sterben. Aber Vincent…

»Hey. Solang ich lebe, sollten wir uns so oft wie möglich zum Reden treffen.«

Vincent sah Nanaki beunruhigt an und sagte:

»Nur einmal im Jahr. Du wirst mich entschuldigen müssen, wenn du mich öfter treffen willst.«

Das gesagt, ließ Vincent den Kopf hängen und versteckte sein Gesicht hinter seinem Umhang. Seine Schultern bewegten sich etwas hoch und runter. Das war das erste Mal, dass Nanaki sah, wie Vincent lachte.

»Gilligan. Gilligan sagst du?«

»Hey, lach‘ soviel du willst.«

»Wenn du mich entschuldigst.«

Vincent erhob die Stimme und lachte laut. Zuerst blieb Nanaki ruhig aber schon bald fing auch er an zu lachen.

Das letzte Mal war die Vergessene Stadt während des Cetra-Zeitalters mit Gelächter erfüllt gewesen, aber nun hallte es wieder durch die Luft.

~ Ende von Nanakis Geschichte ~

Fortsetzung folgt mit ShinRas Geschichte

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