Kapitel 5

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Cloud fiel in den Lebensstrom.

Aber er fiel nicht als ein Toter oder eine Seele hinein. Er fiel lebendig in den See aus Mako, in seinem lebendigen Körper.

Im Nordkrater hatte er herausgefunden, dass seine Erinnerungen falsch waren. Er war nur eine Marionette, in die der verrückte Wissenschaftler Hojo Zellen von Jenova transplantiert hatte. Ein Wesen, das erschaffen wurde, um mit Sephirot bei seiner Auferstehung zu verschmelzen. Aber er war ein Fehlschlag, ein minderwertiger Klon, dem man noch nicht einmal eine Nummer gegeben hatte.

Er wurde hinausgeworfen, wie der Müll in Midgar. Und dann traf er Tifa. Er begegnete seiner „echten“ Kindheitsfreundin, Tifa Lockheart. Zu dieser Zeit wurden die Erinnerungen, die Tifa von Cloud noch hatte, auf ihn übertragen. Jenova besaß die Macht, Erinnerungen zu kopieren. Die Lücken wurden mit Clouds eigenen Erinnerungen, die er von Soldat noch hatte, gefüllt. So wurde die zusammengeflickte Persönlichkeit von Cloud Strife, beruhend auf einem jungen Mann aus Tifas Erinnerungen, geboren. Weil Cloud seine Zwiespältigkeit bemerkte, baute er einen frei erfundenen Charakter auf, um nicht an sich selbst zweifeln zu müssen. Dieser Charakter war er selbst.

Dennoch sollte sich diese Maske bald von ihm ablösen.

Es begann schon vor langer Zeit zu scheitern. Nachdem er mit vielen Sephirot-Klonen in Kontakt gekommen war, deckte Clouds Bewusstsein viele Verdächtigungen auf. Schon lange bevor Aeris gestorben war, begann der Damm, den er sich gebaut hatte um Verdächtigungen abzuwehren, überzulaufen. Durch seinen Hass, den er für Sephirot empfand, und die Ziele, die er vor Augen hatte, schaffte er es irgendwie, jeden Verdacht zu unterdrücken. Aber dann begegnete er dem wahren Sephirot.

Im Nordkrater, noch bevor sich Sephirot und Jenova in dessen Kern befanden, brach Clouds brüchiger Charakter auseinander. Kurz danach konnte Sephirot sogar seinen Geist steuern, als er ihn dazu brachte, ihm die schwarze Materie zu überreichen.

Als er dazu gezwungen wurde, seinem gehassten Feind zu helfen, und er gegen sein eigenes Ziel Meteor zu stoppen handeln musste, brach Clouds Persönlichkeit völlig zusammen. Sein falsches Ego zersplitterte in viele Teile, und in seinem leeren Geist blieb nur die Verzweiflung, dass er nichts außer einem mißlungenen Sephirot-Klon war.

Und so…

Als er nutzlos wurde, durchquerte Cloud den Planeten durch den Nordkrater, eingeschlossen in dem Lebensstrom.

Da er keine Persönlichkeit mehr hatte, was würde nun mit ihm passieren, wenn er mit dem hoch konzentrierten Mako, das die ganzen gesammelten Erinnerungen des Planeten enthielt, in Berührung kam?

Er war wie ein ausgetrockneter Schwamm, der eine Flüssigkeit aufsog. Sein leerer Geist und seine Masse von unsinnigen Erinnerungen wurden einfach begraben. Dieser Zustand, in dem man für gewöhnlich sehr betäubt ist, wird allgemein als „Mako-Vergiftung“ bezeichnet.

Cloud trieb durch den Lebensstrom. Sein Geist war schon so sehr verletzt, dass eine Genesung nicht mehr möglich schien.

Doch bald wurde sein Körper, der sich eigentlich nicht im Lebensstrom befinden sollte, durch eine natürliche Mako-Quelle an der Küste von Mideel ausgeschwemmt. Durch seine verlorene Persönlichkeit war er nun eine verkrüppelte Person mit großer Verwirrung.

***

Aeris wusste, warum es Orte gab, die der Lebensstrom nicht erreichen konnte. Einer der Orte war der, an dem Sephirot seine Barriere errichtet hatte. Das Unglück das vom Himmel kam, Jenova, hatte mit sich einen Meteor gebracht, der bei seinem Einschlag eine riesige Narbe auf dem Planeten hinterließ. Nun war dieser Ort, an dem sich die Energie sammelte um die Narbe zu heilen, zu einer Wiege für Sephirots Auferstehung geworden. Der Strom des Lebens wurde von überall her in diesen unnatürlichen Strudel gezogen, der ein Wesen wie Aeris davon abhielt, hineinzugelangen.

Aeris war begierig darauf mit Cloud zu sprechen, als sein Körper aus dem Strudel gespült wurde. Sie probierte es immer wieder, als sein Körper nach Mideel getragen wurde. Aber sein Geist war zerrüttet und von Verzweiflung gefüllt, er konnte Aeris‘ Stimme nicht hören. Egal wie laut sie schrie, ihre Stimme konnte Cloud nicht erreichen, genau wie damals, als sie in der vergessenen Stadt getrennt wurden.

Bestürzt und hilflos sah sie zu, wie Clouds Körper wieder an der Oberfläche verschwand.

***

„Wie kann ich Cloud retten? Wie kann ich Meteor aufhalten? Ich hätte nicht gedacht, dass Holy ihn so lange zurückhalten kann. Bei diesem Tempo wird der Planet so schnell zerstört, wie Sephirot es geplant hatte… Was kann ich tun? Sag es mir, Cloud…“

Aeris weinte, als sie an der zerrütteten Cloud dachte, den selbst ihre Gebete nicht erreichten. Sein zertrümmerter Charakter konnte nicht mehr gefestigt werden. Aber wenn das nicht der wahre Cloud war, wer war es dann? Da sie ihn nur als ehemaliges Mitglied von Soldat kannte, konnte sie es nicht erraten. Sie wurde so sehr von einem Gefühl von Hilflosigkeit umschlungen, dass sie es nicht in Worte fassen konnte.

„Cloud… ich vermisse dich. Ich vermisse dein wahres Ich…“

Ihr Flüstern und ihre Gedanken breiteten sich zu großen Wellen aus, die sich im Mako verteilten.

Ihre Erinnerungen an das Zusammensein mit Cloud kamen zurück. Obwohl sie ihn als nie besonders gesellig empfunden hat, besaß er trotzdem eine gewisse Freundlichkeit.

„Ich fand ihn zwar etwas merkwürdig, aber war das wirklich alles nur erfunden und ein Teil seiner falschen Persönlichkeit? Gab es Cloud gar nicht wirklich? …Nein, das kann nicht wahr sein. Es gab Dinge, die nur Cloud wissen konnte. Dinge, die er getan hat, weil er Cloud ist. Er war niemals bloß ein leeres Gefäß!“

Aber sie konnte die Wahrheit nicht herausbekommen. Ihre Gedanken bewegten sich im Kreis. Aeris erforschte ihre Erinnerungen noch einmal. Erinnerungen, die Clouds Einzigartigkeit zeigten. Die Art, wie er sich bewegte. Sie erinnerte sich Schritt für Schritt an alles, was er getan hatte…

Die meisten Gedanken verschmolzen mit dem Mako, und erweckten so ein anderes Wesen. „Er“ hatte sie bemerkt, und wachte nun auf.

„Aeris… bist du das?“

Zuerst wusste Aeris nicht, wem die Stimme gehörte, denn sie kam so plötzlich. Geschockt drehte sie sich um, und sah in ein Gesicht, das sie nun seit 5 Jahren nicht mehr gesehen hatte. Er war ihre erste große Liebe. Er war außerdem ein sehr lieber Freund, den sie nicht mehr gesehen hatte, seitdem man nichts mehr von ihm hörte. Er hatte die gleiche Persönlichkeit, die sie auch in Cloud sah. Zack, mit den blauen Augen, die der Beweis dafür waren, dass er bei Soldat war. Verglichen mit Aeris konnte man ihn aber nur schlecht erkennen.

„Zack! Heißt das, dass du auch tot bist?“

Obwohl Aeris normalerweise nicht diejenige war, die diese offensichtliche Frage stellte, war es das Erste, was ihr in den Sinn kam. Abgesehen davon war es seltsam, dass so ein kampferprobter und talentierter Soldat gestorben ist. Obwohl sie seinen Aufenthaltsort nicht gekannt hatte, war sie sicher gewesen, dass er irgendwo an einem sicheren und friedlichen Ort wäre… Sie machte sich selbst Vorwürfe, warum sie so blind daran geglaubt hatte. Die bittere Wahrheit war ein Schock für sie.

„Warum ‚auch‘? …bist du auch tot, Aeris? Naja, ich wollte dich eh das Gleiche fragen… und dann… wie soll ich sagen… mein Beileid ausdrücken.“

„Du hast dich kein bisschen verändert.“

Egal was passierte, Zack verlor nie seine Freundlichkeit. Aeris lächelte schwach. Obwohl sie wusste, dass er zu Shinras Soldat gehörte, fand sie ihn anziehend.

„Es ist viel passiert. Viele schlimme Sachen. Alles begann, als ich nach Nibelheim geschickt wurde.“

„Nibelheim?“

„Ja, kennst du es? Zu der Zeit war ich mit einem ziemlich berühmten Soldat unterwegs, der als Held bekannt war. Doch plötzlich drehte er durch…“

„Du meinst Sephirot, oder?“

Aeris atmete tief ein. Sie glaubte, dass es einen Grund dafür gab, dass Zack erschienen ist. Sie hatte das Gefühl, es hätte mit irgendetwas anderem zu tun.

„Dieser Bastard ist wirklich berühmt. Oder hast du seinen Namen nur in den Nachrichten über das Nibelheim-Massaker gehört?“

„Du warst zu dieser Zeit dort? Dann erzähl mir, was mit Cloud war…“

„Woah woah, mach mal langsam! Woher kennst du Cloud? Geht es ihm gut?“

„Du kennst Cloud also auch. Es gibt wirklich einen Cloud, oder?“

Die beiden tauschten sich schnell über das aus, was sie wussten. Und Aeris wusste es. Sie wusste, dass Cloud nicht einfach nur eine Marionette war, die für Sephirot hergestellt wurde. Und sie wusste nun auch, warum sie Zack in ihm wieder entdeckte.

Zack wusste nun auch alles. Er kannte die Situation, in der sich sein Freund nun befand. Sein Freund, der mit ihm zusammen bei dem Vorfall war, als sie beide von Shinra verfolgt wurden. Er wusste nun auch, dass Sephirot auferstehen würde, und nicht nur eine Bedrohung für Nibelheim, sondern den ganzen Planeten ist.

„Zack… was kann ich tun, damit Cloud die Wahrheit über sich erfährt? Kannst du ihm nicht sagen, dass er real ist?“

„Es ist unmöglich für uns, das zu tun. Die Einzige, die das tun könnte, wäre dieses Mädchen aus Nibelheim, Tifa. Wenn ihre Erinnerungen nur die Erinnerungen in Cloud ersetzen könnten, dann vielleicht…“

„Das wird hart. Aber ich gebe nicht auf. Ich bin mir sicher, wir haben eine Chance.“

Aeris‘ Gesicht erhellte sich, denn es gab Hoffnung. „Wenn wir das schaffen, dann haben Cloud und die Andern die Möglichkeit, etwas gegen Sephirot zu tun. Sie können das Hindernis beseitigen, das Holy aufhält.“

Die Chance stand kurz bevor.

***

Unter dem Druck des herannahenden Meteors, ließ der Planet seine massiven zerstörerischen Weapons frei, die den Fluss des Lebensstroms unterbrachen. Die Masse der Energie, die bis an die Oberfläche anschwoll, war unglaublich. Sie ergoss sich über Mideel, wo Cloud von Tifa an seiner Seite umsorgt wurde. Die beiden wurden von dem Lebensstrom verschluckt.

Sie wurden von dem Mako verschlungen, als sie in den Planeten fielen. Für Cloud war es schon das zweite Mal, aber für Tifa war es ihre erste Erfahrung.

Aeris riskierte alles für diese goldene Möglichkeit.

Sie versuchte verzweifelt, mit Tifa zu reden, die kurz davor war, von dem hoch konzentrierten Mako vergiftet zu werden. Aeris führte ihre Seele, und brachte sie in Clouds verschlossenes Herz.

In Wirklichkeit hätte Aeris es gerne selbst getan. Aber sie konnte diese Aufgabe nicht tragen. Deshalb vertraute sie es Tifa an. Sie vertraute Tifa alle Gefühle an, die sie für Cloud empfand. Sie vertraute sie derjenigen an, die wirklich mit Cloud „leben“ konnte…

Und so führte Tifa die Aufgabe aus. Indem sie ihre eigenen Erinnerungen mit denen von Cloud verglich, suchte sie nach Dingen, die nur der echte Cloud wissen konnte. Als sie alles beweisen konnte, öffnete sich die verschlossene Tür. Da er Soldat nicht verlassen hatte, konnten die Jenovazellen in Cloud die Eigenschaften von Zack kopieren. Indem er seine tiefsten Erinnerungen, die er bisher gehemmt hatte, wieder nachzeichnete, konnte Cloud seine wahre Persönlichkeit rekonstruieren.

„Du hast es geschafft, Tifa. Ich danke dir… ich bin zwar etwas eifersüchtig auf dich, aber pass gut auf Cloud und die Welt dort oben auf.“

Tifa umarmte Cloud fest, als er wieder zu Sinnen kam. Aeris beobachtete, wie die Beiden zur Oberfläche zurückkehrten, und lächelte dabei wie eine gütige Mutter.

Es war ein blendender Anblick für Zack.

„Du weißt es, Aeris. Von allen Mädchen, mit denen ich zusammen war, bist du echt die Beste. Nach meiner Mission hätten wir wieder sein können was wir waren, wir hätten weiter zusammen sein können nachdem ich wieder zu Hause war. Ich hasse Sephirot. Und ich hasse Shinra, die alles versteckt haben, was sie gemacht haben.“

„Jemand, der mit so vielen Mädchen zusammen war, kann nie richtig lieben.“

„Wie meinst du das? Ich bin doch zu jedem nett.“

„Und das ist dein Schwachpunkt. Du bist nicht so simpel und tollpatschig wie Cloud.“

„Sowas magst du, Aeris?“

„Wer weiß. Die Dinge können sich in den 5 Jahren verändert haben.“

„Heh.“

Zack setzte ein trauriges Gesicht auf, als ob er schmollen würde, aber dann begann er sorgenfrei zu lächeln. Es war das gleiche Lächeln, das Aeris schon von ihm kannte, seit sie jung waren. Als sie siebzehn waren, hatte es sie so sehr angezogen.

„Es ist noch nicht vorüber, aber ich werde mich für eine Weile schlafen legen. Es sieht aus als könnte ich im Augenblick nichts tun. Aber wenn du dich einsam fühlst, ruf mich einfach Aeris.“

„Nur, wenn ich wirklich einsam bin. Gute Nacht, Zack.“

Mit einer Welle verschwand der erste Klasse Soldat in dem Mako. Da er glaubte, dass seine Rolle noch nicht vorüber ist, ließ sich Zack nieder um zu schlafen und seine Energie zu sparen.

Aeris würde nicht schlafen. Da sie eine Cetra war, fühlte sie sich nie erschöpft.

Sie war glücklich. Sie war glücklich, weil sie nun den wahren Cloud kannte, und sie auf ihn aufpassen konnte, auch wenn es nur für einen kurzen Augenblick war.

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