Diese Interpretation wurde vermutlich um 1997 von John Brittenham verfasst. Die ursprüngliche Quelle ist ungewiss, die älteste bekannte Quelle ist hier zu finden.
Bisher haben wir die zwei ganz unterschiedlichen Geschichten, die in Final Fantasy VII existieren, identifiziert. Da ist die „offensichtliche, aber falsche“ Geschichte, welche zeigt, dass die Welt von dummen Menschen (Sephiroth und die ShinRa) zerstört wird. Dann ist da noch die „versteckte, aber wahre“ Handlung, welche aufzeigt, dass Jenova im Hintergrund alles kontrolliert. Passend dazu haben wir Cloud, den offensichtlichen Protagonisten, und wir haben auch einen versteckten Protagonisten – Aerith. Wie Cloud es ausdrückt: „Sie war so nahe, wir konnten sie nicht sehen“. Aerith, die zusätzlich der erste und letzte Charakter ist, den wir im Spiel zu sehen bekommen, ist die Eine, welche das eigentliche Ziel erreicht – die Beschwörung von Heilig -, wodurch sie das Überleben des Planeten sichert. Cloud dagegen attackiert Aerith zwei Mal und verliert darüber hinaus die Schwarze Substanz zwei Mal an Jenova bzw. Sephiroth. Bis zu seiner Genesung nach dem Aufenthalt im Lebensstrom ist Cloud alles andere als ein nützlicher Mitstreiter.
Am anderen Ende dieses Spektrums haben wir Sephiroth, unseren „offensichtlichen, aber falschen“ Gegner und den „versteckten, aber wahren“ Antagonisten, nämlich Jenova. Aerith und Jenova sind das genaue Gegenteil voneinander, verschieden in allen denkbaren Kategorien. Aerith ist die letzte Cetra, Angehörige einer Rasse, die aufgrund ihrer Wanderung durch verschiedene Sternensysteme charakterisiert war. Sie wollten diese Planeten besiedeln, kultivieren und mit ihnen kommunizieren, bis sie schließlich die Reise fortsetzen würden, auf ihrer Suche nach dem Verheißenen Land. Jenova dagegen sucht Planeten heim, zerstört sie und beansprucht deren Lebensenergie für sich selbst.
Aerith („Erbin“ des Wissens der Cetra) ist das Symbol für Leben und Wahrheit in diesem Spiel – dank ihres langen Nachdenkens, ihres Glaubens an eine bessere Zukunft und der ihr eigenen Fähigkeit, sich selbst und ihre Umwelt zu heilen. Weiterhin auch aufgrund ihres tiefen Einblicks und dem Verständnis, das sie Clouds anormalen Zustand entgegenbringt.
Jenova dagegen repräsentiert Illusion und Zerstörung in ihrer reinsten Form und sie ist auch dazu fähig, ihre Glieder immer neu zu vereinen, wenn sie getrennt werden. Beachtet den Gegensatz zwischen Aerith‘ Heilfähigkeit und Jenovas Fähigkeit, sich nach Zerstörung selbst zu rekonstruieren.
Im Gegensatz dazu scheinen Cloud und Sephiroth kaum Protagonist und Antagonist dieses Spiels zu sein, sie sind vielmehr das Spiegelbild des jeweils anderen, zwei Seiten einer Medaille. Beide sind Männer, welche über ihre Vergangenheit getäuscht wurden und die die Wahrheit über sich selber herausfinden wollen. Doch wurden sie beide von Jenova in die Irre geführt. Cloud kommt zu dem Glauben, dass er ein Klon von Sephiroth sei. Sephiroth kommt zu dem Glauben, dass Jenova seine Mutter sei und sie beide vom Alten Volk abstammten. Tatsache ist jedoch, dass seine Mutter Lukretia ist, ein Mensch, und, dass Jenova eine außerirdische Kreatur ist, welche unbedingt die Vernichtung des Planeten will, um ihre eigene Macht zu vergrößern.
Beide Charaktere sind „Marionetten“ des Monsters Jenova. Beide Charaktere verbrachten einige Zeit im Lebensstrom, eine Erfahrung, welche beide auf den Pfad geführt hat, dem sie bis zum Ende folgen werden. Beiden Charakteren wurden außerdem durch Hojos Hände Jenova-Zellen eingeflößt.
Der Ausdruck „Nichts ist, wie es scheint“ bestimmt die Thematik von Final Fantasy VII. Tatsache ist, dass er jeden Charakter im Spiel definiert. Alle Helden in diesem Spiel erleben eine „Zeit des Begreifens“, in der sie sich einer Episode aus ihrer Vergangenheit stellen müssen, deren Schlüsse sich als falsch erwiesen haben. Lasst uns alle von ihnen betrachten.
Cid verbringt all die Jahre damit, Shera für das Scheitern des Rakten-Starts verantwortlich zu machen. Später im Spiel findet er heraus, dass der Sauerstofftank, den sie versucht hatte zu reparieren, und damit den Abbruch des Starts verursachte, tatsächlich fehlerhaft war. Shera hatte Cids Traum nicht ruiniert, sie rettete ihm wahrscheinlich das Leben.
Vincent verbringt Jahre in dem Sarg, um sich für seine Beteiligung am Jenova-Projekt zu bestrafen. Später stellt er fest, es keine Lösung ist, sich vor seinen Problemen zu verstecken, sondern dass er sich ihnen stellen muss, um vergangene Fehler wieder gut zu machen: „Ich war in der Zeit eingefroren, aber nun fühle ich, dass meine Zeit erst beginnt!“
Yuffie unternimmt im ersten Teil des Spiels den Versuch, die Substanz von der Gruppe zu stehlen, um dabei zu helfen, Kraft und Ansehen ihrer Heimat Wutai wiederherzustellen. Später begreift sie, dass es Cloud und seine Gruppe sind, die wirklich für die Zukunft der menschlichen Rasse kämpfen, und dass dieser Kampf ihr wahres Streben sein sollte.
Cait Sith ist in Wirklichkeit Reeve von ShinRa Inc. Aber Reeve, früher ein loyaler Angestellter des Konzerns, erkennt, dass ShinRa die eigentliche Bedrohung ist und dass Cloud, Aerith und Co. die Rettung sind. Er muss einsehen, dass es nötig ist, seinen Arbeitgeber zu hintergehen, um sich selbst treu zu bleiben.
Nanaki glaubt, dass sein Vater ein Feigling war, welcher aus dem Cosmo Canyon floh, um sein eigenes Fell zu retten. Später findet er heraus, dass sein Vater in Wirklichkeit ein Held war und den Cosmo Canyon vor der Zerstörung durch den Stamm der Gi gerettet hat.
Tifa glaubt, dass etwas Schreckliches passieren wird, wenn sie Cloud erzählt, dass Zack in Wahrheit der SOLDAT-Kämpfer war, der nach Nibelheim kam. Später im Spiel erweist sich diese Kenntnis als der Schlüssel, um die Wahrheit über Clouds Vergangenheit zu enthüllen. Diese Erkenntnis erlaubt ihm, endlich gegen Sephiroth und Jenova standzuhalten, und sie bekämpfen zu können.
Barret ist der führende Kopf hinter der Zerstörung der ersten zwei Mako-Reaktoren, ein Akt, von dem er glaubt, dass er der Zukunft des Planeten dient. Später sagt Barret, dass der Angriff auf die Mako-Reaktoren der falsche Weg war, um die Dinge zu regeln, da die Terror-Aktionen das Leben unschuldiger Menschen gekostet haben. Er enthüllt zudem, dass er nicht in erster Linie für den Planeten kämpft, sondern in Wirklichkeit für die Zukunft von Marlene, der Tochter seines ehemals besten Freundes.
Cloud, der „falsche Held“, ist der vermurksteste Charakter im Spiel, und es ist keine tiefgründige Betrachtung nötig, um dies zu beweisen. Er steht wie kein anderer für den Ausspruch „Nichts ist, wie es scheint“ als Leitmotiv dieses Spiels. Er ist der Charakter, aus dessen Sicht die Geschichte erzählt wird. Dennoch hat sich gezeigt, dass er völlig falsche Erinnerungen aus der Vergangenheit hat. Seine wahren Erinnerungen werden erst aufgedeckt, nachdem er gemeinsam mit Tifa im Lebensstrom sein Gedächtnis rekonstruiert hat, und selbst dann scheint er nicht zu begreifen, dass Sephiroth nur Jenovas Sklave ist. Das ist es, was die Handlung so verwirrend macht. Indem die Geschichte aus Clouds Perspektive heraus erzählt wird, erleben wir – die Spieler – die Realität so, wie Jenova es sich wünscht. Cloud versteht bis kurz vor Ende des Spiels nicht, was wirklich vorgeht und er spricht es auch nicht laut aus, deutet es vielmehr durch diesen einen Satz an: „Ich glaube ich beginne zu verstehen… eine Antwort des Planeten.“
Aerith, die Heldin, ist bisher der ehrlichste Charakter, oder wie Tifa es ausdrückt:
„Sie sprach mehr über die Zukunft, als jeder andere von uns… Obwohl sie nie mit uns darüber gesprochen hat, muss sie ein hartes Leben gehabt haben… Ich glaube Aerith schaute mehr nach vorne, zum nächsten Morgen und in die Zukunft überhaupt, als andere Leute… Sie muss viele, viele Träume gehabt haben…“
Im Epilog des Spieles, der fünfhundert Jahren nach den Ereignissen in Midgar stattfindet, sehen wir Nanaki und seine Kinder, die einen Berg hinaufrennen, um dann einen Blick auf die Stadt Midgar unter ihnen zu werfen. Ein verlassenes, zerstörtes und von Grün überwuchertes Midgar, das vom Leben der Pflanzenwelt, des Planeten selbst, zeugt. Menschen sind nirgends zu sehen. Das häufigste Argument, das ich gehört habe, um die Bedeutung des Endes zu bestimmen, war, dass die Menschen die Zerstörung des Planeten verantworten und dass sie darum von Heilig zurück in den Lebensstrom gesaugt wurden, da sie sich als Fehler herausgestellt hatte. Von der Realitätsebene, die uns das Spiel an der Oberfläche zeigt, ist dies sicher die haltbarste und stärkste Deutung. Bisher haben wir aber festgestellt, dass alles was offensichtlich in Final Fantasy VII ist, eigentlich falsch ist. Die Wahrheit hinter der Geschichte wird äußerst feinsinnig, durch verschiedene Hinweise im Spiel verstreut, erzählt.
Die Menschheit ist eine Schöpfung des Planeten. Sie waren ein natürlicher Teil des Kreislaufes, und stellten keine Bedrohung dar. Alle Zerstörung in diesem Spiel geht von Jenova aus, einer außerirdischen Lebensform, die außerhalb des natürlichen Kreislaufs des Lebens existiert. Sie manipuliert diesen Kreislauf (hauptsächlich die Menschheit und das Alte Volk) für ihre eigenen Zwecke.
Was also will der Epilog mit Nanaki besagen? Midgar wurde beim Hinuntersteigen des Meteors praktisch ausgelöscht und in den fünfhundert Jahren, die zwischen der Endsequenz und dem Epilog liegen, mit großer Sicherheit von den Menschen aufgegeben – sofern sie überlebten.
Um den Unterschied zwischen „offensichtlichem, aber falschem“ Ende und dem „wahren und verborgenen“ Schluss zu begreifen, ist es nötig, bis ganz an das Ende des Spiels zu gehen und gut acht zu geben. Nach dem Epilog erscheint das Logo von Final Fantasy VII auf dem Bildschirm und man hört seltsame Geräusche. Die Klänge sind zusammengesetzt aus Vogelstimmen, fließendem Wasser und anderen Lauten der Natur. Wer gut hinhört, bemerkt auch das Lachen von Kindern. Somit könnte dieses Lachen ein Hinweis darauf sein, dass die Menschheit nicht verschwindet.
Doch dies ist nicht der einzige Hinweis im Spiel. Eine wichtige Szene verbirgt sich vor dem Abspann. Nachdem Cloud Sephiroth im vierten Kampf besiegt hat, birst dieser und offenbart ROTE Lebensenergie, rot wie die Verunreinigung, die Jenova dem Lebensstrom hinzufügte. Rot ist die dominierende Farbe, sowohl Jenovas wie auch des Meteors. Schaut genau hin: Cloud steht etwas abseits. Ein Lichtbündel entweicht dem Boden, Cloud umkreisend. Es handelt sich offensichtlich um Heilig, denn diese Ströme sind identisch mit jenen, die später aus dem Inneren des Planeten kommen um Meteor zu zerstören. Dieser rote Lebensstrom ist jetzt auch in Cloud. Dann strömt Heilig in Clouds Körper, und trifft dort auf die Lebenskraft Jenovas, was in einem grellen Lichtblitz resultiert.
Genau solch ein Lichtblitz ist später erneut zu sehen, nämlich wenn Heilig mit dem Meteor zusammentrifft und ihn vernichtet. Der Unterschied ist, dass uns nicht gezeigt wird, was anschließend ist. Dieser Umstand macht das Verständnis der Szene mit Cloud und Sephiroth umso wichtiger, will man auch das Spielende begreifen können: Nach dem grellen Aufblitzen verschwindet Heilig. Die Lebenskraft Sephiroths entweicht wieder aus Clouds Inneren, doch dieses Mal ist ihre Färbung GRÜN. Dies steht symbolisch für die Reinigung, sowohl Clouds als auch Sephiroths, von der unreinen Lebenskraft Jenovas in ihrem Inneren. Keinesfalls löst sich Cloud nach dem Zusammentreffen mit Heilig auf. Im Gegenteil: Nur kurze Zeit später sehen wir, wie das Luftschiff angetrieben von Heiligs Macht, aus dem Nordkrater katapultiert wird. Wiederum lösen sich weder die Besatzung, noch das Schiff als solches auf. Es ist sogar so, dass ihre Leben buchstäblich von Heilig gerettet werden. Im Nordkrater zu verharren, hätte für sie den sicheren Tod bedeutet. Erinnert euch in diesem Zusammenhang auch an ein Gespräch, das in der Stadt des Alten Volkes mit Bugenhagen geführt wurde – auch dieses Gespräch wird häufig falsch ausgelegt (Hervorhebungen durch den Autor).
Bugenhagen: „Das Wissen des Alten Volkes, das diesen Ort durchdringt verrät mir eines: Der Planet befindet sich in einer Krise. Eine Krise, die jenseits menschlicher Kräfte oder auch nur Vorstellung liegt. Es sagt uns, wenn die Zeit gekommen ist, müssen wir Heilig suchen.„
Cloud: „Heilig?„
Bugenhagen: „Heilig… die ultimative Weiße Magie. Weiße Magie. Ein Zauber, der Meteor aufhalten könnte. Vielleicht unsere einzige Hoffnung, den Planeten vor Meteor zu retten. Wenn eine suchende Seele zum Planeten durchdringt, wird es in Erscheinung treten. Ho, Ho, Hoooo. Meteor, Weapon, all das wird vergehen. VIELLEICHT sogar wir Menschen.„
Cloud: „Wir Menschen?„
Bugenhagen: „Es liegt am Planeten, dies zu entscheiden. Was dem Planeten nützt, was ihm schadet. ALLES SCHLECHTE WIRD ENDEN. SO IST ES. Ich frage mich, wozu wir Menschen gehören.„
Demnach muss die Menschheit nicht zwangsläufig vergehen. Es ist auf jeden Fall ein gewagter Schritt von Squaresoft, dass dieses Spiel nur in der Interpretation dieser feinen Untertöne zu verstehen ist. Da sie etwa dreißig Millionen US-Dollar für die Produktion ausgegeben haben, wollten sie wohl ein Spiel schaffen, dass nicht nur eine unterhaltsame, sondern auch eine tiefgründige Geschichte bietet. Darin besteht die Kunst. „Gewöhnliche“ Rollenspiele bieten Gewissheit über das Schicksal ihrer Helden. Final Fantasy VII kennt diese Gewissheit nicht, es kann nur über die Untertöne entschlüsselt warden, die im Spiel eingestreut sind. Vermutlich würden wir alle gerne gesehen, was „wirklich“ im Anschluss passiert, doch andererseits: wann bekommt man schon eine wirklich einzigartige Geschichte geboten.
Doch es bleibt noch ein Rätsel zu lösen, das den immer wiederholten Gegensatz zwischen „offensichtlicher“ Geschichte und der ihr gegenüberstehenden „verborgenen“ Geschichte fortschreibt und zum Gipfel bringt. Folgendes ist bislang unerwähnt geblieben.
Die Bedeutung von Aerith‘ Hand, die sie Cloud reicht, nachdem er von Jenova gereinigt wurde. Dies wird angedeutet durch ihre Musik (Theme of Aerith), denn dieses Stück erklingt nur in Szenen, die mit ihr in Verbindung stehen. Ein anderer Aspekt betrifft Aerith‘ Auftritt in der allerletzten Sequenz des Spiels, wenn sie ihren Kopf hebt und die Augen öffnet. Steht dies symbolisch für ihre Rückkehr zum Planeten oder wird damit vielmehr ihre Wiederauferstehung angedeutet? Ihre letzten Worte an Cloud waren schließlich: „Ich breche dann auf. Ich kehre wieder, wenn alles vorüber ist.“ Um dieses fordernde Rätsel lösen zu können, ist es nötig, die Mythologie zu verstehen, auf der das Spiel basiert. Das wird Thema des letzten Teils dieses FAQs sein.