Kapitel 4

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Bis jetzt hatte Aeris gedacht, der Lebensstrom hätte keinen Geruch.

Ihre Seele nahm alles irgendwie mit ihren fünf spirituellen Sinnen wahr – Hören bedeutete, dass sie die Überreste um sich herum fühlte, und Sehen bedeutete, dass sie wahrnahm wie schwach oder matt die Energie um sie herum war. Sie konnte hier zwar auch Dinge berühren, aber man könnte sagen, dass das nur eine Erweiterung des Sehens war.

Man musste nichts essen, und es gab auch keinen Geschmack. Sie wusste nur, dass ihr Geruchssinn ständig arbeitete, obwohl es hier keine Gerüche gab. Selbst das Blut an Dynes Körper hatte nur symbolhaft existiert, nichts in dieser Welt hatte einen Duft. Aeris dachte darüber nach, wie traurig es ist, dass selbst Blumen hier keinen Duft hätten.

Sie begegnete einer anderen Seele.

Es hatte den Geruch von etwas Verwesendem. Es schien als wäre dieses Etwas schon völlig zersetzt, aber trotzdem hatte es einen unangenehmen Geruch, als würde es gerade erst anfangen zu verfaulen. Es war die Art von Gestank, bei der man die Stirn runzelt.

Dies war der einzige Punkt, an dem das Mako schwach wurde. Es war ein Ort, an dem das Mako sich verzerrte, wenn es dort hindurch floss, und sich nicht wieder zurückformen konnte, weil es hier feststeckte. An diesem Ort war ein alter Mann.

„Nun, das ist ein Gesicht, an das ich mich erinnern kann.“

Genau wie in seinem vergangenen Leben, trug dieser Mann einen teuren Anzug, der auf ihn zugeschneidert war. Für einen Augenblick konnte Aeris fühlen, das von seinem früheren Ich ein genauso klares Bild übrig geblieben war, wie von ihr selbst. Aber dann sah sie, dass nur seine teuren Anziehsachen, Schuhe und Verzierungen noch klar erkennbar waren. Sein Gesicht war sehr schwach zu sehen. Er hatte pummelige Wangen, einen ordentlichen Schnurrbart, und in seiner Stimme lag ein Zittern, wie bei einem alten Mann.

„Dein Name war doch… ach, nicht so wichtig. Du bist das Mädchen, durch dessen Adern das Blut des alten Volkes fließt, hab ich recht?“

„Doch, es ist wichtig.“

Aber Aeris hatte nicht vor, ihren Namen zu verraten. Der Mann vor ihr war der ehemalige Boss von Shinra Inc., Präsident Shinra, der Führer einer Firma die ganze Völker unterdrückt und beherrscht hat.

„So, du bist also auch hier gelandet. Du bist genauso tot wie ich? An dem gleichen Ort?“

Der Präsident konnte den freudigen Ton in seiner Stimme nicht zurückhalten. „Wir wurden also am Ende wieder vereinigt, als wären wir zusammen in dieses andere Leben geschickt worden. Der Planet weiß wirklich, wie man Vorkehrungen trifft. Ich glaube, dass ich hier etwas erreichen werde.“

„Etwas erreichen?“

Es war das Gleiche gemeint, das Dyne anfangs sagte. Aber Dyne war nur zynisch gegenüber sich selbst gewesen. Dieser alte Mann hier war völlig anders. Aeris konnte aus seinen Gedanken spüren, dass Präsident Shinra es wirklich ernst meinte.

„Du kapierst es nicht, oder? Die vom alten Volk sind ja wirklich dümmer als ich dachte. Deswegen wolltest du bestimmt auch nicht mit uns kooperieren. Oh Gott, was für ein jämmerliches und bemitleidenswertes Leben.“

„Wie unhöflich. Außerdem kann ich mich an nichts Jämmerliches erinnern.“

Der alte Mann gluckste leise als er sah, wie wütend Aeris wurde, als würde er sich nur über sie lustig machen.

„Du weist nicht, das Glücklichsein davon abhängt, ob man etwas erlangt oder verliert. Aber denk darüber nach. Nachdem du mit deiner Mutter aus Hojos Einrichtungen geflohen bist, hast du für fünfzehn Jahre in den Müllkippen-Slums gelebt. Als die Turks dich fanden, hättest du ein luxuriöses Leben oberhalb der Plattform leben können, wenn du zu uns zurückgekehrt wärest. Zu dieser Zeit träumte Hojo von weiteren Experimenten, und so habe ich den Befehl gegeben, ein Auge auf dich zu haben. Aber wenn du dich von allein entschieden hättest mit uns zu kooperieren, hätte ich dich mit offenen Armen empfangen und dich ganz besonders gut behandelt. Also, was denkst du jetzt? Nachdem du in den Slums gelebt hast, umherkrabbelnd wie Ungeziefer, und du wegen Avalanche gestorben bist, ohne jemals zu erfahren, was Luxus ist: Behauptest du immer noch, dein Leben war nicht jämmerlich?“

„…das ist wirklich eine ziemlich arrogante Sichtweise, urteilen zu wollen wie glücklich oder unglücklich Andere sind.“

„Ich bin ein selbstgerechter Mensch. Und wenn du es gerecht betrachtest, gibt es keinen Menschen, der im Leben mehr erreicht hat, als ich.“

Der Präsident machte ein schadenfrohes Gesicht.

„Letzten Endes habe ich es geschafft, Shinra auszuweiten… von einem kleinen Unternehmen das Waffen herstellte, bis zu der Größe, das es jetzt hat. Der Wendepunkt war, als man die Möglichkeit entdeckte, Energie aus Mako zu gewinnen und es mit Hilfe von Reaktoren aus der Erde zu saugen. Mako sicherte den Strom für das Volk, erhöhte ihre Lebens-Standards und machte sie somit zu meinen Sklaven. Nachdem sie dieses komfortable Leben kennen gelernt hatten, wurden die ignoranten Menschen danach süchtig. Und wir, Shinra, konnten das Ausmaß unserer Firma im Handumdrehen erhöhen. Für unsere einfache Werbung konnten wir alle berühmten Talente erfassen, die wir haben wollten. Träume von dem Erschaffen einer neuen Hauptstadt, das Erforschen des Weltraumes… Man hätte alles für mich getan. Ich konnte sie benutzen. Sie waren wie die Sklaven für einen König. Und das Volk konnte nicht sehen, was passierte. Selbst die Medien, die die Menschen antrieben, konnten nur das tun was wir ihnen sagten, weil wir die Macht über die Mako Energie haben. Shinra hatte die Macht über das Land erlangt, und ich war auf einen Thron gestiegen, auf dem mich niemand mehr kritisieren würde, egal was ich tue. Ich hätte als diese Dummköpfe zertrampeln können, hätte unbegrenzten Reichtum besessen und sogar der Herrscher der Welt werden können! Ich hätte nichts dagegen, wenn mein Leben länger gewesen wäre. Also, was denkst du, Mädchen vom alten Volk? Verstehst du nun, wer im Leben mehr erreicht hat? Oder wenigstens wie jämmerlich dein Leben war?“

„Hmmmm… vielleicht?“

Was Aeris verstanden hatte, war, dass für den alten Mann vor ihr Glücklichsein etwas völlig anderes bedeutete, als für sie. Das Glücklichsein, von dem er sprach, hatte nur mit relativen Sachen zu tun. Er wollte in einer Position sein, in der er mehr erreichte als andere Menschen. Deswegen blieb der Gedanke von Shinra, das Leben aus dem Planeten zu saugen, noch immer bestehen. Er war wie eine hilflose Seele, die kein Glück mehr empfinden konnte, obwohl diejenigen, die weniger glücklich waren, es noch konnten.

Aber das wollte sie ihm nicht unter die Nase binden. Wenn das für ihn die volle Befriedigung bedeutete, konnte sie ihm auch nicht mehr helfen. Er konnte die Hände nicht von dem Reichtum lassen, den er zusammengekratzt hatte, und der jetzt wie Müll mit schrecklichem Gestank verfaulte. Der hässliche alte Mann erkannte nicht, dass er selbst nach seinem Tod noch mit dem Elend kämpfen musste, das sein Ehrgeiz mit sich brachte.

Den Präsidenten, der sich immer mit anderen vergleichen musste, quälte es zu sehen, wie anspruchslos Aeris war.

„Es war albern von mir, mich selbst mit einem so dummen Menschen zu vergleichen. Ich habe keine gute Laune. Ich bin ziemlich genervt. Hau ab, wenn du nicht kapierst was ich sage.“

„Das werde ich tun.“

Diesen alten Mann hätte sie nicht retten können. Er würde noch viele Jahre auf diesem Thron sitzen, bis seine Träume langsam verfaulten und sich sein Selbst auflöste.

Aeris drehte Präsident Shinra den Rücken zu, und wollte ihre Reise fortsetzen.

Aber etwas komisches passierte. Eine seltsame Welle erhob sich aus dem Lebensstrom, schoss in den See aus Mako und erschütterte ihn gewaltsam. Es war eine Unheil verkündende Welle wie ein mächtiger Pulsschlag.

„Was ist das?“

Als sie die Schreie des alten Mannes hörte, drehte sich Aeris schnell um.

Alles was sie sehen konnte, war der Umriss des Präsidenten, der in die Ferne gerissen wurde. Allmählich wurde er immer schneller.

Das war nicht die Strömung. Es sah aus als wäre der alte Mann von einer Schwerkraft erfasst worden, während sich die Geschwindigkeit immer weiter erhöhte mit der er fiel. Er flog irgendwo in den See aus Mako hinein.

Mit einem lang nachgezogenen Schrei aus Panik verschwand Präsident Shinra.

Aeris fühlte wieder diesen Puls. Diesmal konnte sie ihn klar spüren. Es war dieselbe Welle wie die des Menschen, der ihr Leben in der Vergessenen Stadt beendet hatte.

Dieser Mann musste hier irgendwo im Lebensstrom lauern.

„Sephirot…“

Der silberhaarige abtrünnige Engel lächelte, als wenn er die gottlosen Seelen mit in die Hölle nehmen wollte. Aeris erkannte, dass die Gefahr noch nicht vorüber war.

Holy wurde unterdrückt, sobald sie es gerufen hatte. Die Narbe des Planeten aus langer Zeit zuvor… Sephirot war in dem Nordkrater, der Jenovas verheißenes Land war, und wartete darauf, als sein wahres Selbst wiedergeboren zu werden.

Der ultimative schwarze Zerstörungszauber Meteor war auf seinem Weg. Der teuflische Hammer, der aus fernen Himmeln hinabsteigen würde um den Planeten zu zerschmettern, ist herbeigerufen worden.

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