Kapitel 1

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Ja, es war egal, wohin es sie trieb…

Sie hatte den Grund des Sees erreicht. Aber selbst hier sank Aeris weiter.

Ihr physischer Körper lag nun schon seit Jahren tief unter Wasser, bedeckt von Pflanzen, die wie pulvriger Schnee waren. Er zeigte, wie sehr ihr unendliches Leben von den kurzen zweiundzwanzig Jahren auf der Erde getrennt war. Das Gefäß, das nun von der Seele getrennt war, kehrte in dem reinen Wasser langsam wieder zur Erde zurück.
Aeris’ Geist bewegte sich auf die nächste tiefere Ebene.

Nichts veränderte sich, als sie leicht in den Staub, der um sie herum schwebte, ausatmete. Aeris sank immer weiter, durch die dicke Schicht des Abgrunds. Das einzige, was sie sehen konnte, war Dunkelheit… aber es war eine warme, weiche lichtlose Welt, in der sie sich nicht einsam fühlte.

Sie bemerkte schnell, dass es kein Staub oder Schlamm war, den sie da fühlte. Ihre Sinne hatten sich so angepasst, dass sie nun die Dinge um sich herum spüren konnte. Ihre fünf Sinne waren nun auf einer höheren Ebene, auf der sie die wahre Natur der Dinge fühlen konnte.

Die Welt, die sie sehen konnte, war nicht voller Dunkelheit.

Sie war mitten in einem schwachen grünen Licht, das sich um sie legte. Im gleichen Moment verstand sie, was sie dort sah. Die Energie hatte sich in tausende, oder eher Millionen von Strömen aufgetrennt, welche jetzt jede Ecke des Planeten durchströmten und umkreisten. Die Flut von Licht, die sie umschloss, war einer der Ströme, der sich von den anderen trennte. Die Menge von Mako-Energie, die der Planet besaß, war jenseits jeder menschlichen Vorstellungskraft, und ließ sie nicht in Worte fassen.

Es kam Aeris vor, als würde der Planet vor Leben pulsieren. Sie beobachtete den Glanz des Lebensstroms, der herumtrieb. Sie erkannte die Quelle des Lebens, zu der jedes Lebewesen zurückkehrt.

Es war ein Ort voller Energie, an dem unzählige Seelen, zusammen mit ihrem Wissen und ihren Erfahrungen, miteinander verschmolzen. Selbst von ihren Erinnerungen wurden sie getrennt. Nur Aeris war „vollkommen“. Sie blieb ganz sie selbst, an dem Ort, an denen die Geister der Toten herumflossen, und behielt den Charakter, den sie hatte, als sie noch lebte. Sie blieb der Geist der Aeris Gainsborough, die sie einmal war, und trieb nun durch den Lebensstrom.

Sie wusste nicht, dass sie dies einmal sein würde.

Als letzte überlebende Cetra, war es ihre Aufgabe, den Reichtum und die Fülle der Erde während ihres Lebens aufrechtzuerhalten. Aeris sprach zu dem Planeten. Sie sprach zu dem Bewusstsein, dass Teil des Lebensstroms war. Es hatte ihr erzählt, dass der Tod nicht das Ende des Lebens ist.

Die meisten Menschen denken, dass nach dem Tod nichts mehr kommt. Denken sie, dass ihr Geist von Dunkelheit umschlossen wird, sie nie wieder aufwachen, dort ein „Nichts“ ist, das niemand begreift? Sie denken, dass sterben bedeutet, völlig ausgelöscht zu werden. Deswegen fürchten Menschen den Tod. Sie haben Angst davor, ihre Existenz zu verlieren. Obwohl sie wissen, dass sie zu einer Rasse mit einer kurzen Lebensspanne gehören, wollen sie den Tod umgehen. Selbst jene, die ein hohes Alter erreichen und ein erfüllendes Leben hatten.

Aeris wusste, dass der Tod nicht bedeutet, ausgelöscht zu werden. Sie wusste sogar von der Welt, die ein Cetra am Ende erreicht, wenn er seine Mission erfüllte. Deswegen akzeptierte sie den Tod furchtlos, selbst als sie spürte, dass er immer näher rückt. Sie erfüllte ihre Mission so, wie sie es tun sollte, ganz ohne Angst. Ihr Herz fühlte nur Frieden, obwohl die Menschen, die die Gabe mit dem Planeten zu sprechen schon vor langer Zeit verloren hatten, sagten, sie sei eines unnatürlichen Todes gestorben. Sie fühlte keine Reue wie den Wunsch, wieder zu leben, oder ihre Mission umgangen zu haben.
Aber trotz allem war sie traurig. Ihr Herz war voller Schmerz.

All die Freunde, mit denen sie umhergereist war, die Leute, denen sie zum ersten Mal nahe gekommen war, ihre Mutter Elmyra, die sie großgezogen und fünfzehn Jahre auf sie aufgepasst hat, die Menschen, die sie nicht so persönlich kannte, die Menschen, die sie in der Zukunft hätte kennen lernen können… Es war eine Tatsache, dass sie nicht mehr zusammen mit den &“Lebenden“ sein konnte.
Aeris wusste, dass auch diejenigen, die sie zurückgelassen hatte, trauerten. Sie wussten nicht, dass sie immer noch in Form ihrer Seele existierte. Das mussten sie nicht wissen. Selbst wenn sie sich wünschte, dass sie es wüssten, es hätte ihre Traurigkeit trotzdem nicht verringert wenn sie die Wahrheit erfahren würden. Der Gedanke an die Trauer der Menschen, machte ihren Schmerz nur noch schlimmer.

Aeris’ Schmerz wurde noch größer, als sie an Cloud dachte.

Sie hatte auch gute Gefühle gegenüber ihm… Zuerst dachte sie, er hätte irgendwie große Ähnlichkeiten zu ihrer ersten Liebe. Aber trotzdem waren seine Blicke, seine Stimme und seine Persönlichkeit einfach anders, und er wirkte wie eine mysteriöse Person. Aber das hatte bald keine Bedeutung mehr. Sie liebte ihn viel mehr als ihre erste Liebe. Cloud war ihr Held, der sich nicht von Gefahr fernhalten konnte. Sie sah ihn als selbstbewusst, cool, und als würde er augenblicklich verschwinden, sobald sie die Augen von ihm abwendet. Sie wollte für immer an seiner Seite bleiben wenn es irgendwie möglich war. Sie wollte es wirklich.

Als sie ihre Freunde verließ, um allein zu der vergessenen Stadt zu gehen, war Clouds Herz wie ein Ei, das kurz davor war aufzubrechen. Nicht wie ein Ei, das ausgebrütet wurde, sondern als wenn der Dotter durchsickern würde. Es war, als würde man seinen Verstand zerschmettern. Sie wollte ihn trösten. Wenn sie keine Überlebende des alten Volkes gewesen wäre, hätte sie dies bestimmt ohne Zweifel tun können.

Wie auch immer…

Der blasse schwarze und silber-graue Mann, der einst ein Held gewesen war, hatte die Macht über das „Unglück, das vom Himmel fiel“, Jenova, erlangt, und war in einen Wahn verfallen.

Er wollte mit Hilfe der schwarzen Substanz die größte zerstörerische Macht, Meteor, herbeirufen. Da sie diese Mission von ihren Cetra-Vorfahren übernommen hatte, hatte sie keine andere Wahl als sie weiterzuführen. Früher oder später würde Sephirot den riesigen Meteor rufen, der einen gewaltigen Schaden auf dem Planeten anrichten würde. Er würde eine Wunde anrichten, die den Planeten sogar zerstören könnte. Ohne Zweifel würde der Planet eine große Menge des Lebensstroms auf die Wunde konzentrieren, um sich selbst zu heilen. Es war Sephirots Plan sich all diese Macht einzuverleiben. So könnte er eins mit dem Planeten werden, und somit etwas Gleichgestelltes zu Gott. Danach würde er bestimmt alle Menschen, die er so sehr hasste, zu Tode verbrennen. Sie wusste, dass damit der ganze Planet und der Kreis des Lebens beendet wären.

Aeris konnte durch das Flüstern des Planeten spüren, dass es etwas gab, das sie tun könnte, um das Schlimmste zu verhindern. Sie wusste auch, dass es etwas war, was nur sie, die letzte überlebende Cetra, tun konnte. Nur sie konnte das Wissen der vergessenen Stadt erlangen. Aber dort hinzugehen bedeutete auch, zum größten Hindernis von Sephirots Plan zu werden.

Dies war der Punkt, an dem Aeris zögerte. Sollte sie alle Menschen sterben lassen, oder ihr eigenes Leben dafür geben um die Katastrophe zu vermeiden?… aber darüber dachte sie nicht lange nach, sondern bereitete sich schon darauf vor. Als sie zögerte Cloud traurig zurückzulassen, dachte sie daran, was passieren würde, wenn sie ihre Freunde und alle Menschen auf der Welt nicht rettet. Sie hatte sich bereits entschieden. Sie hatte keine andere Wahl. Sie tat es auch für Cloud.

Und so allein machte sie sich auf den Weg zum Altar in der vergessenen Stadt, um herauszufinden, was sie tun musste. Tatsächlich war der Schlüssel die letzte überlebende Cetra. Es war die weiße Substanz die von den Cetras weitergereicht wurde… Als würde sie das Schicksal der letzten überlebenden Cetra halten, konnte diese Materie den ultimativen weißen Zauber Holy herbeirufen, den man brauchte um Meteor zurückzuschlagen. Es war die Materie, die ihre Mutter Ifalna ihr anvertraut hatte. Sie hatte sie niemals benutzt und immer in ihrer Schleife versteckt gehalten. Sie hatte die weiße Substanz. Als sie herausfand, dass sie sie besitzt, betete sie aus vollem Herzen. Durch die Materie sprach sie zu dem Planeten, und versuchte den weißen Zauber Holy zu rufen, der Meteor zerstört.

Selbst das geringste Zögern hätte bedeuten können, dass ihre Gebete den Planeten nicht erreichen. Aber sie schaffte es. Sie hatte die Anforderungen schon erfüllt, als Sephirot, der ihre Absichten erkannt hatte, sie traf. Sie akzeptierte den Tod, den sie spürte, als das Schwert sie vor langer Zeit durchstach. Sie dachte in Frieden daran zurück.

Aber ein Schrei erreichte sie.

Es hörte sich nicht an wie ihr eigener Schrei. Wenn es ihr eigener gewesen wäre, hätte sie auch gespürt, wie das Blut ihren Hals hochschießt , und das Gefühl von Wut, das sich den Weg aus den Tiefen ihrer Seele bahnt – Aber es war das Geräusch von Clouds brechendem Herzen. Es war der Schrei seines Herzens, das niemals von dem Kummer befreit werden könnte, den er wegen Aeris’ Tod hatte, oder von den Selbstvorwürfen, die er sich machte, oder den Hass, den er für Sephirot empfand.

Sie war überrascht, wie sehr er wegen ihr trauerte. Sie war fast ein wenig glücklich darüber, dass er so viel für sie empfand, aber ihr Schmerz war noch sehr viel größer. Sie konnte nichts tun gegen das Leiden von Cloud oder den Schmerz, der in ihr ruhte.

Der Schmerz hielt sogar im Lebensstrom an.

Obwohl sie ihrem Körper verloren hatte, fühlte sie den Schmerz, indem sie sich ihren Körper vorstellte. Sie schaute an sich herunter, als sie ihre Hand auf ihr pochendes Herz legte… Schon lange zuvor war ihr etwas aufgefallen.

Um sie herum existierten unzählige Seelen. Dort waren viele Stimmen und ein Überfluss an Erinnerungen. Jeder um sie herum war etwas, das sie nie in ihrer Kirche in Midgar gefühlt hatte. Genau wie sie, sind alle die gestorben sind zum Planeten zurückgekehrt und waren nun hier.

Aber trotzdem konnte sie niemanden entdecken, der die gleiche Form wie sie hatte. Von allem was sie sah, war nur sie in der Form ihres zurückgelassenen Selbst, zwischen all den verschiedenen Geistern.

„Ist es… vielleicht weil ich eine Cetra bin?“

Die Worte kamen wie ein Murmeln aus Aeris. Hier waren Worte und Gedanken das Selbe. Weil ein Wesen mit Bewusstsein war, wurden ihre Gefühle und Gedanken, die sie als Wellen ausströmte, ausgedrückt. Gleichzeitig erreichten sie eine Vielzahl von Erinnerungen aus dem Lebensstrom in Form von Wellen. Überall um sie herum war ein Flüstern, und hätte sie ihr starkes Ego nicht beibehalten, hätte sie schon bald nicht mehr gewusst, welcher Geist ihrer ist.

„Ich hatte gehofft, meine Worte würden Cloud erreichen…“

Sie sah etwas verdrossen aus. Sie war nicht befallen von der Verwirrung die unter den ganzen Geistern in dem See aus Mako herrschte. Durch die Erfahrung darin den Planeten zu hören als sie jung war, hatte sie eine Menge Geduld aufgebaut. Aeris konnte ihren eigenen Geist bei sich behalten ohne sich selbst zu verlieren.

Aber sie verstand, dass zum Planeten zurückkehren bedeutete, sich von ihrem „Ganzen“ zu trennen. Wenn ein Wassertropfen in einen Fluss fällt, verschwindet er auch und man kann ihn nicht mehr sehen. Egal wie gewohnt sie es war, es kam ihr merkwürdig vor, dass ihre Seele so einzigartig in einem großen See aus Energie ist.

„Aber im Lebensstrom müssen noch andere Cetra wie ich sein. Als meine Mutter starb, war sie auch eine Cetra… aber das ist fünfzehn Jahre her. In dieser Zeit werde ich vielleicht auch schon verschwunden und eins mit dem Planeten sein.“

Während sie ihren Kopf neigte, dachte sie weiter darüber nach.

„Werde ich irgendwo die Möglichkeit haben, mit Cloud zu reden? So dass ich ihm sagen kann, dass es mir gut geht… es ist irgendwie merkwürdig zu sagen, es würde mir gut gehen, aber vielleicht bin ich mir hier ‚klarer‘ über mich selbst.“;

Vielleicht sollte sie sich hier klar über ihre Zuneigung zu Cloud sein. Dann würde man sie vielleicht als Liebende sehen… Während ihrer Lebenszeit in Midgar, spürte sie oft die Seelen derer, die ihre Liebe bekannten. Diejenigen, die dieses Gefühl noch hatten, konnten ihren Geist einfacher als „Ganzes“ zusammenhalten.

„Bedeutet das, ich werde verschwinden sobald ich Cloud begegne? Wird es wohl so passieren, oder… gibt es noch immer etwas, das ich tun muss?“

Aeris fühlte sich, als würde ein elektrischer Schock sie durchfahren. Sie ballte ihre eine Hand zur Faust, und schlug sie in die Handfläche der anderen. Zwar schlugen ihre Hände nur in ihrer Vorstellung ineinander, aber sie hörte trotzdem deutlich das „bang“.

„Es macht alles einen Sinn. Es gibt einen Sinn hinter dem Ganzen. Es muss einen Grund dafür geben, dass ich noch nicht mit dem Lebensstrom verschmolzen bin, dafür dass ich noch das bin, was ich bin. Genauso, wie ich die Einzige war, die Holy rufen konnte… Es muss noch etwas geben, das ich tun muss.“

In dem Moment als sie das dachte, fühlte sie eine kleine Erschütterung des Planeten. Es war, als würde der ganze Planet bestätigen, was sie dachte.

„…ich verstehe. Ich frage mich nur, was ich tun muss…“

Ihre Frage wurde von Stille beantwortet. Auch der Planet wusste noch nicht, was sie tun musste.

Sie lächelte wie die Blumen, die sie damals in den Slums verkaufte. In dem sanften Licht erblühte dieses süße Lächeln, das jeder liebte.

„Es ist OK. Es gibt noch immer Menschen, von denen ich nicht getrennt sein will. Ich kann noch nicht ruhen. Bis die Zeit gekommen ist, wandere ich hier umher. Ich werde meine Zeit hier im Planeten verbringen… in unserem verheißenen Land…“

Während sie sich wünschte, sie könnte ihre Gedanken wegschicken, schaute Aeris in den Himmel… sie schaute über ihren Kopf über die Schale des Planeten hinaus. Die umherschwebenden Mako-Partikel sahen für sie wie ein Nachthimmel aus.

Sie schaute genauso in den Himmel wie damals, als sie mit Cloud an dem Feuer des Cosmo Canyon saß.

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