Heidegger in FF7Ich sehe exakt 4 Extrempunkte in FF7, in denen das Spiel auf die Lehren Heideggers referiert.
1. Die Figur HeideggerHier wird's gleich etwas knifflig. Wie gesagt lieben die Japaner Heidegger. Warum ist er also so ein unliebsamer fieser Sack im Spiel? Hierin sehe ich eine kritische Fußnote auf die Figur, denn Heidegger war ein Nazi. Und zwar aus ganzem Herzen. Er war Mitglied der NSDAP und wurde unter Hitler zum Leiter des Amtes für die akademische Ausbildung berufen. D.h. er war Oberrektor aller Unis in ganz Nazi-Deutschland. Das ist M.E. auch mit ein Grund, warum Heidegger hier so unbekannt ist.
Seine NS-Vergangenheit ist in der Tat schwierig zu erklären. Heidegger war z.B. kein Anti-Semit oder Rassist. Er hatte viele jüdische Freunde und sogar eine jüdische Geliebte, der bis zum Ende seines Lebens seine absolute Liebe gehörte. Überhaupt war Heidegger ein entschiedener Gegner des Rasse-Denkens nach Darwin, stand es doch im Gegensatz zu seiner Lehre, dass alles Seiende eine Einheit bildet. Aber Heidegger sah eben gerade in der Einheitsbildung und des Massen-Denkens den Reiz des Nationalsozialismus. Das wurde ihm auch zum Verhängnis. Als er sich weigerte, das Rasse-Denken an den Universitäten zu unterrichten, wurde er abgesetzt und musste bis zum Ende des Regimes mit Todesdrohungen und Arrest-Drohungen leben. Danach wurde er nicht von den Alliierten angeklagt und durfte dank der Unterstützung seiner Geliebten, die mittlerweile eine international bedeutende Philosophin geworden war und nur dank Heidegger vor den Nazis fliehen konnte, in den 50ern wieder Vorlesungen halten.
Dennoch war Heidegger ein Teil des Hass-Regimes und als Erinnerung an diesen Teil sehe ich die Heidegger-Figur in FF7. Dass die Shinra Nazis sind, steht M.E. außer Frage. Beweise finden sich vom roten Logo übers Militärregime bis hin zum SS-Sturmmantel, den Rufus trägt. Die Heidegger Figur ist also eine Art kritische Fußnote, die auch sein muss. Ein positiv dargesteller Heidegger wäre von der westlichen Spielergemeinde bestimmt nicht so positiv wahrgenommen worden. So ist Heidegger ein geschickter Schachzug der Entwickler, um auf die Lehren des Philosophen aufmerksam zu machen.
2. Die Figur AerisJetzt aber genug von Kritik und Nazis und auf zu anderen unerfreulichen Dingen. Wie weitreichend bekannt ist starb Yoshinori Kitases Mutter bei seiner Arbeit an FF6 und er nutzte seinen Posten als Regisseur in FF7, um diesen Verlust spielerisch zu verarbeiten. Hier sehe ich auch den Ursprung aller lebensphilosophischen Elemente in FF7, denn wer in Japan nach Lebensphilosophie sucht, der stößt zwangsweise auf Heidegger und Bergson. Der Srpung war also gar nicht so weit, wie er uns erscheint. Dass Aeris für Cloud so eine Art Mutterersatz ist, wird ja im Spiel auch ersichtlich. Ihr Tod hingegen ist für Cloud ein entsprechender Verlust wie der Tod von Kitases Mutter für ihn selbst. Doch im Tod liegt Hoffnung.
Nach Heidegger ist der Mensch ein "Sein hin zum Tode" dessen Bestimmung sich erst offenbart, wenn er stirbt. Beobachten wir Aeris' Werdegang vom naiven, unwissenden Flower Girl bis hin zu ihrem Tod, so sehen wir, dass sie eine Erkenntniskette durchläuft (Buddhismus 4 Life).
1. Ungefähre Ahnung von den Begriffen "Altes Volk" und "Lebensstrom" während der Midgar Ereignisse
2. Neugier und Nachforschungen während ihrer Reise mit Cloud
3. Erkenntnisgewinn im Tempel des Alten Volkes
4. Wissen über Holy und Beschwörung, dicht gefolgt vom Tod
Später erst versteht Cloud, was Aeris getan hat. Der Sinn ihres Daseins hat sich offenbart, in dem Moment, wo sie gestorben ist. Nämlich in der grün schimmernden weißen Substanz, die aus ihrem Haar herausfällt.
Ich gehe aber noch etwas weiter. Meiner Meinung nach ist Aeris' Entwicklung mit ihrem Tod noch nicht abgeschlossen. Am Ende von FF7 sieht man sie ja nochmal. So nach dem Motto: Das alles war mein Wille. Deshalb bin ich gestorben. In Advent Children taucht sie aber erneut auf, als quasi-göttliche Entität, die Cloud und Co mit Rat und Tat zur Seite steht. Auch der Regen am Ende, der das Geostigma heilt, ist Zeichen ihrer göttlichen Belohnung für ihre Freunde. Aeris wird also zu einer Art Gottheit wie Sephiroth zur Anti-Gottheit (Anti-Jesus) wird.
Aeris ist die Verkörperung der Lebensstroms im Spiel und damit die Verkörperung des Shinto-Prinzips, das dem christlichen Mensch=Gott (Sephiroth) überlegen ist.
Oder um es mit Heideggers Worten zu sagen: Sephiroth ist unvollkommen, weil er unsterblich ist und von daher niemals den Sinn seiner eigenen Existenz verstehen kann. Von daher ist er eine leere, sinnlose Entität, die Cloud und Aeris gegenüber unterlegen ist.
3. Die böse, böse TechnikDas erklärt sich recht schnell. Die Technik saugt den Planeten aus, deswegen geht es den Menschen in FF7 gut. Aber ihre Entwicklung und ihr hoher Stand sind nur Illusion. Sie sind dem Irrtum einer vermeintlichen Herrschaft über das Dasein aufgesessen und wissen nicht, dass ihre Ressourcen endlich sind. Schlimmer noch, dass ihre Reaktoren dem Planeten das Leben aussaugen. Dieser Irrtum folgt aus ihrem westlichen Weltbild, dessen Verkörperung natürlich die Shinra sind. Hier diesmal als US-Konzern und nicht als Nazis. Wobei diese politische Doppelkonnotation schon gewagt ist. Aber bislang hat's ja noch keiner bemängelt.
Im Endeffekt kann man auch hier den Bogen zu Heidegger schlagen, wobei er die Kritik an der Technik natürlich nicht erfunden hat.
4. Die Einheit von Cloud und SephirothWie gesagt bilden Jenova-Sephiroth-dunkler_Lebensstrom eine Art Dreifaltigkeit des Bösen, der die Dreifaltigkeit Aeris-Cloud-Lebensstrom gegenübersteht. Will man gut und böse durch klarere Begriffe ersetzen, fährt man gut mit Shinto-Buddhismus: kami-Trinität versus tsumi-Trinität.
FF7 polarisiert den Kampf zwischen Leben und Nicht-Leben, zwischen Reinheit und Verschmutzung als sich immer wiederholende Art und Weise. Die beiden armen Seelen, die sich bis in alle Eweigkeit dafür battlen müssen, sind natürlich Cloud und Sephiroth. Diese beiden sind jedoch hoch interessant, denn Cloud ist ein Anti-Sephiroth wie auch Sephiroth ein Anti-Cloud ist (Dostojewski wäre von FF7 sehr angetan, denn er hat das Bild des Schatten-Doppelgängers als ultimativer Bösewicht ja schließlich erfunden.). Dasselbe gilt für Aeris und Jenova.
Kurzum das Leben in FF7 besteht aus dem Zwiestreit zweier Mächte, die grundverschieden sind, die aber dennoch verbunden sind in einem essenziellen Punkt: Der Gleichheit von Cloud und Sephiroth. Beide sind Erzfeinde, beide sind absolute Gegensätze und dennoch sind beide eins. Verbunden durch die Zellen Jenovas einerseits und die Zugehörigkeit zum Lebensstrom andererseits. Und hier sind wir im Kern der Heidegger'schen Philosophie. Sephiroth ist Cloud wie auch Cloud Sephiroth ist. Der Lebensstrom ist die Verbindung der absoluten Gegensätze, das Sein nach Heidegger. Und hier liegt die große Aussage von FF7, Leben / Sein ist die Einswerdung absoluter Gegensätze. --> Leben = Absolut // Lebensstrom/kami = Gott.
Das Witzige ist, dass diese Erkenntnis absolut offensichtlich ist. Die wirkliche Leistung von FF7 besteht darin, den Kontrast aus Gut und Böse soweit aufzuladen, dass wir den Unterschied zwischen beiden gar nicht mehr festmachen können. Und diese Gleichheit der beiden Gegensätze ist auch das, was wir unglaublich reizvoll an diesem Spiel finden.
Und nochmal fürs Protokoll: FF7 hat mit den Namen Heidegger und Sephiroth sogar doppelt auf die Einheit der Gegensätze angespielt. Es war den Machern wohl wichtig, dass dieses Wissen auch wirklich offenbar wird.
So, das war im Groben die Kernaussage meiner Arbeit. Es fehlen unglaublich viele philosophische und medienwissenschaftliche Theorien, aber ich denke, die wollt ihr gar nicht wissen
Ansonsten hab ich mich noch mit der Szene, wo Cloud und Tifa im Lebensstrom schwimmen, beschäftigt, weil mir alle Interpretationen, die ich finden konnte, nicht hinreichend waren. Außerdem habe ich noch eine gute Erklärung, woher das Bild des "verheißenen Landes" kommt + Erklärung, was es eigentlich ist.