Barrets Geschichte: Kapitel 3

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Rocket Town war einst die Basis für das Raumfahrtprogramm des ShinRa-Konzerns gewesen. Irgendwann waren die Mechaniker dort seßhaft geworden und hatten es in ein geschäftiges Dorf verwandelt.

Als Barret den Ort betrat, sah er eine Gruppe von Kindern beim Spielen. Einige waren im selben Alter wie Marlene. Seine Augen leuchteten.

„Was spielt ihr Kinder da?“ fragte er. Die Kinder schauten auf und musterten ihn mißtrauisch. „Wie wärs, wenn ihr ’nen alten Mann wie mich mitmachen ließet?“

Die Kinder machten sich schnell aus dem Staub. Barret schnalzte mit seiner Zunge und betrachtete seinen rechten Arm.

„Damit muss ich mich wohl abfinden, bis meine Hand fertig ist.“

„Du bist furchterregend genug, auch ohne die Waffe“, rief jemand hinter ihm.

„Warte, du bist …“ Er konnte dem Gesicht keinen Namen zuordnen.

„Hätte auch nicht erwartet, daß du dich an mich erinnerst. Ich gehörte zur Crew der Highwind.“ Highwind war der Name des Luftschiffs, mit dem Barret und die anderen während ihrer Reise zur Rettung des Planeten unterwegs gewesen waren. „Oh, ich erinner‘ mich. Also, danke dafür, daß du damals geholfen hast.“

„Keine Ursache.“

Barret verschwendete keine Zeit und bat den Mann, ihn zu Cid zu bringen. Während sie den Weg entlang gingen, hörte er dumpfe Schläge von Metall auf Metall.

„Pause ist grad vorbei, weißte. Wir beeilen uns lieber ’n bißchen.“

„Womit seid ihr eigentlich alle beschäftigt?“

„Was glaubst du denn? Immerhin ist das hier die Heimat von Cids Leuten.“

„Ein Luftschiff?“

„Schau’s dir einfach an!“

Hinter den langen Häuserreihen erstreckte sich ein weites Feld und öffnete den Blick auf ein gigantisches Luftschiff – yeah, genau wie die alte Highwind! – aber im Bau.

„Scheiße! Sieh dir das an.“

Das Flugschiff wurde von einem wackligen Baugerüst eingerahmt. Oben auf dem Gerüst – welches nicht den Eindruck machte, als hätte jemand einen Gedanken an Sicherheitsstandards verschwendet – arbeiteten rund zwanzig Stadtbewohner. Der Krach, den das Zurechthämmern der metallenen Außenhaut des Schiffs verursachte, übertönte alles. Das Flugschiff schien so gut wie fertiggestellt zu sein.

„Hey, sie ist ja fast fertig!“

„Yeah, aber nur das Äußere. Wirf mal einen Blick darauf.“ Der Mann deutete auf den leeren Motorraum. „Weil wir keine Makoenergie mehr benutzen können. Der Motor wird uns noch ’ne Weile beschäftigen.“

Wie aus dem Nichts ertönte der ohrenbetäubende Knall einer Explosion. Barret geriet in Panik und ließ sich in den Staub fallen.

„Der Käpt’n is‘ da drin“, lachte sein Gefährte und zeigte auf eine Werkstatt hinter dem Schiff.

Darin befand sich, auf einer gewaltigen Werkbank, ein einzelner Motor, so groß, dass er in ein Flugschiff passen würde.

Eine Gruppe von Männern mit Schutzbrillen betrachtete den Motor mit gehörigem Abstand. Nochmal, der Klang einer Explosion. Barret zuckte zusammen. Einer der Männer riss seine Brille runter und lief auf den Motor zu.

„Hundesohn!“

Cid lehnte sich vor, um den Motor zu untersuchen. Dabei knirschte er mit den Zähnen, als wollte er ein Stück abbeißen.

„Du gottverdammtes Stück Scheiße! Ich wird‘ dir den Arsch aufreißen, bis nur noch Kleinholz von dir übrig ist!“

Barret mußte grinsen. So viele Schimpfwörter auf einmal hatte er schon lang nicht mehr gehört. Hat sich kein bißchen verändert, der alte Knabe. Cid kam langsam und überbetont lässig zu ihm herüber.

Barret grüßte Cid mit Gelächter. „Mach nur weiter so und Gott persönlich wird sich deiner annehmen müssen!“

„Gott? Bring mir seinen Arsch hier runter“, schnauzte Cid, ohne sich irritieren zu lassen. „Mit dem hätte ich mal ein Wörtchen zu bereden.“

*** *** ***

Die beiden berichteten sich schnell, was sie in letzter Zeit erlebt hatten. „Ich hab‘ Marlene bei Tifa gelassen. Weil sie sich mögen und so.“

„Gut für dich. Die ganze Welt klopft dir auf die Schulter. Also ist Cloud mit Tifa zusammen?“

„Yeah. Tifa hat eine Bar eröffnet, wie in alten Zeiten. Cloud hat dort ausgeholfen, aber ich hab‘ gehört, er wird jetzt zu sehr von seinem eigenen Geschäft in Anspruch genommen. Ein Lieferservice.“

„Cloud und ein Geschäft?“

„Du kannst drauf wetten, dass Tifa ihm Feuer unterm Hintern gemacht hat.“

„Verstehe. Meistens sind es doch die Frauen, die die Hosen anhaben.“

„Wie geht’s eigentlich Shera?“

„Pah, die ist doch genauso“, druckste Cid.

Um abzulenken, erzählte er Barret von ihren anderen Freunden; dass Red XIII immer noch gelegentlich zu Besuch kam, dass Yuffie den Kindern in Wutai die Kampfkunst des Wushu beibrachte und dass Vincent jeden Kontakt abgebrochen hatte.

„Also, was führt dich her? Ich bin ein vielbeschäftigter Mann.“

„Du baust an einem Luftschiff, ja?“

„Tue ich.“

„Lässt du mich dabei helfen?“

„Dich? Wie will ein Hohlkopf wie du helfen?“

Normalerweise hätte Barret so eine Beleidigung zornig erwidert, doch nun ignorierte er es einfach und erzählte Cid, was er in dem Dorf erlebt hatte.

„Mit einem Luftschiff hättest du es in der Hand, viele Menschenleben zu retten, Mann. Die Leute mit dem Stigma zum Beispiel. Wenn irgendwo eine Heilungsmethode gefunden wird, könnten wir sie blitzschnell hinbringen. Du könntest sogar Heilkundige aus aller Welt einfliegen. Tonnen von Lebensmitteln liefern. Alles, was die Leute zum Leben brauchen, verstehste?“

„Nun, ich glaub‘, du hast nicht begriffen, worum es geht.“ Cid rückte ein Stück näher heran, bis sie Gesicht an Gesicht saßen. „Wir reden hier davon, Mako zu benutzen. Mako! Du weißt, wie viel Makoenergie selbst auf kurzen Strecken verbraucht wird.

„Keineswegs! Hör mir zu.“ Barret wiederholte, was er sich auf dem Weg hierher überlegt hatte. Dürfen nicht so gierig sein. Mako zu benutzen schadet dem Planeten, stimmt schon. Ich mein ja nicht, es kompromißlos weiter zu nutzen. Nur ein wenig. Der Planet wird uns schon verzeihen, wenn wir uns nehmen, was wir zum Überleben brauchen.

Cid entfuhr es: „Völliger Quatsch. Was ist nur aus dem Avalanche-Anführer geworden?“

Darauf wußte Barret keine Antwort. Er hatte geglaubt, er habe mittlerweile eine Antwort darauf gefunden, wie er mit seiner Vergangenheit umgehen sollte. Aber nun, wo er darauf angesprochen wurde, fehlten ihm die richtigen Worte. Die ganze Frustration, die sich in ihn rein gefressen hatte, gewann plötzlich die Oberhand. Er hob seinen rechten Arm und wollte gerade das Feuer eröffnen, als er gewahr wurde, daß er sich drinnen befand. Er brach ab, konnte sich aber einen zornigen Aufschrei nicht verkneifen.

„Grrraaaaahhh!“

Nun waren alle Augen auf Barret gerichtet.

„Sorry. Äh, beachtet mich einfach nicht“, beruhigte er die Anwensenden mit einem falschen Lächeln. Er ließ den Kopf hängen, auf der Suche nach Worten der Rechtfertigung. Aber statt Worten kamen ihm nur Bilder aus der Vergangenheit in den Sinn. Dieser viel zu strenge Ausdruck auf den Gesichtern von Biggs, Wedge und Jessie. Kommt schon, sagt was. Los jetzt, Leute, gebt mir die Schuld.

Er schüttelte heftig den Kopf, als könnte er die drei Gestalten vertreiben. Dann blickte er auf. Cid sah verschwommen aus.

„Was zur Hölle ist nur los mit dir?“, wollte Cid wissen. Er klang überrascht.

„Cid, hilf mir. Ich weiß nich‘ weiter. Wenn ich mich an meine Vergangenheit erinnere, ist das, als ginge ich durch ein Minenfeld. Aber da müssen auch Dinge sein, die richtig waren. Aber welche, was davon war richtig? Was falsch? Wie soll ich mich jetzt verhalten? Nein, ich will mich ändern. Darf ich das nicht, wegen meiner Vergangenheit? Ne? Muss ich diese Waffe am meinem Arm lassen und weiter Kinder erschrecken? Kann ich so wiedergutmachen? Ich weiß nicht weiter. Hilf mir, Cid… Was soll ich nur tun?“

Und nun eröffnete Barret das Feuer. Die Kugeln verursachten mehrere tiefe Einschußlöcher in der Decke. Cid warf einen prüfenden Blick nach oben und meinte: „Naja, für den Anfang könntest du das ausbessern.“

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